Die Mediathek Wallis – Brig auf dem Weg zur Inklusion

27.09.2022 | Von Benita Imstepf | Organisation | Inklusive Bibliothek

Die Mediathek Wallis – Brig ist seit 2020 Labelpartner von «Kultur inklusiv», der Fachstelle von Pro Infirmis. Dieses Label erhalten Kulturinstitutionen, die Inklusion in der eigenen Organisation nachhaltig initiieren und vorantreiben.

Von Benita Imstepf
Benita Imstepf liess sich nach der Matura bei der Kantonsbibliothek Wallis in Sitten (heutige Mediathek Wallis) zur Diplombibliothekarin VSB ausbilden. Später absolvierte sie das Nachdiplomstudium am Institut für Wirtschaft und Informatik in Luzern. Seit 2003 ist sie Direktorin der Mediathek Wallis – Brig. Zudem ist sie Vorstandsmitglied von Bibliosuisse und leitet seit 1995 Zertifikatskurse.
Die Gesellschaft verändert sich schnell und grundlegend – so auch die Bibliothekswelt. Um Herausforderungen wie Digitalisierung, Wandel in der Bibliotheksnutzung, Nachhaltig­keit, Diversifizierung der Lebensstile etc. begegnen zu können, besinnen sich Bibliotheken wieder vermehrt auf ihren eigentlichen Zweck, ihre personellen und finanziellen Möglichkeiten, ihre Zielpublika und richten sich dementsprechend aus. Dies unter dem Aspekt der Integration, Inspiration und Chancengleichheit. So auch die Mediathek Wallis – Brig (MW-Brig), einer der vier Standorte der Mediathek Wallis (Kantonsbibliothek).

Seit 2020 Labelpartner von «Kultur inklusiv», setzt sich die MW-Brig für die hindernisfreie kulturelle Teilhabe aller Menschen mit und ohne Behinderungen ein. In diesem Prozess orientiert sie sich an den fünf Handlungsfeldern des Labels:
  • Kulturelles Angebot
  • Inhaltlicher Zugang
  • Baulicher Zugang
  • Arbeitsangebote
  • Kommunikation
In jedem Handlungsfeld setzt sie entsprechend ihren Ressourcen und ihrem Profil Schwerpunkte und legt individuelle Massnahmen fest. Ziel dabei ist jeweils der Mehrwert für die MW-Brig und ihre Kundschaft.

Da die MW-Brig unter ihrem Dach die Studien- und Bildungsbibliothek (Kanton), die Stadtbibliothek Brig-Glis, die Pädagogische Dokumentation (Kanton) und die Spezialbibliothek der Pädagogischen Hochschule Wallis vereint, ist sie einem breiten Publikum verpflichtet.
 
Auf die 5 Handlungsfelder übertragen, bedeutet dies konkret für
  • das kulturelle Angebot (Auswahlbeispiel): In der Leseförderung für fremdsprachige Kinder und Jugendliche sowie für Menschen mit leichten kognitiven Einschränkungen kommen Medien zum Einsatz, die dem Lernniveau angepasst sind (z.B. Bücher in einfacher Sprache; Hörbücher, Spiele…), die inhaltlich Themen wie Fremdsein, Flucht, Behinderung aufgreifen und von den betroffenen Zielgruppen unter Anleitung ausgewählt werden. NÄCHSTER SCHRITT: Aufbau des Shared reading Zirkels für Menschen mit kognitiven Einschränkungen.
  • den inhaltlichen Zugang (Auswahlbeispiel): Der selbstbestimmte Zugang zum vielfältigen Medienangebot mit Grossdruck-Büchern, DVDs mit Untertiteln/Audiodeskription, Hörbüchern, Streaming-Plattformen zum Lesen, Musik hören, Filme schauen, Online-Sprachkursen… wird vom sensibilisierten Personal bedarfsgerecht gewährleistet. NÄCHSTER SCHRITT: Schulungsangebot für digitale Mediennutzung für Seh- und Hörbehinderte sowie Fremdsprachige ausbauen.

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Die Artothek, Bilderausleihe, ist ein niederschwelliges Angebot, das von Menschen mit und ohne Behinderung genutzt werden kann. (Foto: Mediathek Wallis - Brig)
  • den baulichen Zugang (Auswahlbeispiele): Von Menschen mit Gehbehinderungen, die auf Hilfsmittel angewiesen sind (Rollator, Gehstöcke, Rollstuhl), überprüfte Zirkulationswege (Rampen, Lifte, …) und Abstände zwischen den Regalen und Präsentationsinseln, eine Behinderten-Toilette sowie höhen­verstellbares Mobiliar (Theken, Arbeitstische) garantieren den barrierefreien Zugang zu Medien, Dienstleistungen und Veranstaltungen (Café weri, personalisierte Sprechstunden…). NÄCHSTER SCHRITT: Überarbeitung des Leitsystems.
  • die Arbeitsangebote (Auswahlbeispiel): Als kantonale Institution bietet die MW-Brig Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen die Möglichkeit für begrenzte Arbeitspraktika. Dem sensibilisierten Personal dient als Hilfestellung im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen eine kurze Dokumentation, einsehbar im Intranet. Zudem bietet das café weri – im Eingangsbereich der MW-Brig eingerichtet und betrieben von der Stiftung Atelier Manus, die die berufliche und soziale Integration von Menschen mit Einschränkungen fördert – die Gelegenheit zum Einholen von Feedback zu Medienangebot und Dienstleistungen der MW-Brig. NÄCHSTER SCHRITT: Vertiefung der Partnerschaft mit Institutionen, die Menschen mit Behinderungen betreuen (Altersheime, Psychiatrie, …)
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Der kognitiv beeinträchtigte Mitarbeiter im café weri arbeitet dort 1 Mal pro Woche für 3 ½  Stunden
und macht der Mediathek Wallis - Brig regelmässig Vorschläge für DVDs. (Foto: Mediathek Wallis - Brig)
  • die Kommunikation (Auswahlbeispiel): Die MW-Brig verfügt über ein Marketing- und Kommunikationskonzept. Sie verbreitet ihre Informationen zielgruppengerecht über verschiedene Kanäle (Webseite, Instagram, Facebook; Lokalradio und -TV; Presse) und mittels diverser Produkte (Plakate, Flyer, Lesezeichen, give-aways). Flyer und Plakate sind übersichtlich, in einfacher Sprache und leserlicher Schrift verfasst. NÄCHSTER SCHRITT: Neustrukturierung und -gestaltung der Webseite.

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Flyer und Plakate für alle «lesbar» und verständlich. (Foto: Mediathek Wallis - Brig)
 
Wie aus den wenigen Auswahlbeispielen ersichtlich, ist die MW-Brig zwar auf dem Weg zur Inklusion, aber es gibt noch viel zu tun. Entscheidend dabei aber ist, dass nicht zwingend hohe finanzielle oder personelle Mittel aufgewendet werden müssen, sondern eine offene Haltung gegenüber Menschen mit und ohne Behinderung bereits einiges bewegen kann!

 
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