Robin Masur, Sie sind gehörlos und leiten ein Dokumentationszentrum. Können Sie kurz erklären, was CIDOC ist und was Ihre Aufgaben sind?
Ja, gerne. CIDOC ist eine ökumenische Einrichtung, die sowohl von der katholischen als auch von der reformierten Kirche des Kantons Waadt getragen wird. Die Aufgabe des Dokumentationszentrums ist es, theologische und katechetische Dokumente zur Verfügung zu stellen. In der Praxis ist das, was wir anbieten, sehr vielfältig: Bücher, Zeitschriften, Filme, Animationsmaterial, Schnitzeljagden, Poster und eine grosse Sammlung von biblischen Kamishibai-Geschichten. Kurzum, wir haben sowohl Material für Erwachsene als auch für Kinder: Wir bieten sowohl Medien für das Spielerische wie auch für das akademische Studium. Unser Dokumentationszentrum ist für alle offen: Jeder kann kommen, sich anmelden (ohne Gebühren) und unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
Ich arbeite mit vier Mitarbeitern zusammen: Zwei Bibliothekaren, einer AID-Auszubildenden sowie einer Sekretärin und Buchhalterin. Ich organisiere die Arbeit meiner Mitarbeiter, lege die strategischen Prioritäten fest, bin für alle administrativen Aufgaben im Zusammenhang mit dem CIDOC sowie für die Budgetverwaltung verantwortlich und bin für die Kommunikation mit unserem Publikum zuständig.
Was sind die grössten Herausforderungen, denen Sie in Ihrem beruflichen Alltag im Zusammenhang mit Ihrer Behinderung begegnen? Und wie bewältigen Sie diese?
Ich würde nicht so sehr von Herausforderungen sprechen, sondern eher von Anpassungen im Zusammenhang mit meiner Gehörlosigkeit: Das Erste, was ich gemacht habe, war, das Telefon auszustecken! Wenn jemand mit mir Kontakt aufnehmen möchte, sollte er mir unbedingt per E-Mail schreiben. Ich schätze diese Art der Kommunikation sehr, vor allem, weil sie es mir ermöglicht, stets einen schriftlichen Überblick über das zu behalten, was gesagt und vereinbart wurde. Für die Sitzungen am Montagmorgen ziehe ich eine Kodiererin-Dolmetscherin für LPC (Langue française parlée complétée, nicht zu verwechseln mit Gebärdensprache!) heran. LPC bedeutet ergänzte gesprochene Sprache; die Person, die für mich kommt, wiederholt, was meine Mitarbeiter sagen. Das erleichtert die Leitung der Sitzung sehr und spart uns Zeit. Ansonsten arbeite ich viel im Einzelgespräch mit jedem meiner Mitarbeiter, indem ich von ihren Lippen ablese.
Wie haben Sie den Umgang mit Ihrer Behinderung während Ihrer Ausbildung und später in der Arbeitswelt erlebt?
Die Anwesenheit einer LPC-Kodiererin-Dolmetscherin, die wiederholt, was von der Lehrkraft und den Klassenkameraden gesagt wird, war absolut grundlegend für den Erfolg meiner Laufbahn, sowohl im Gymnasium als auch an der Universität Lausanne (Studium an der theologischen Fakultät) und später an der Haute école de gestion in Genf. Das Problem der Taubheit besteht hauptsächlich im Austausch zwischen drei oder mehr Personen: Es ist einfach unmöglich für mich, zu folgen! Das wirkt sich insofern aus, als es mir schwerfällt, mich auf natürliche Weise in eine Gruppendynamik einzufügen, zum Beispiel in der Mittagspause. Aber das ist ein Aspekt der Gehörlosigkeit, den ich von klein auf kenne und mit dem ich lebe. Und natürlich war die Unterstützung meiner Eltern, meiner Geschwister und meiner Frau in all den Jahren absolut wertvoll!
Was sind Ihrer Meinung nach die besonderen Herausforderungen von Bibliotheken im Hinblick auf die Inklusion?
Ganz klar der Geist der Offenheit, wenn man sich den Lebenslauf eines Bewerbers für eine Arbeitsstelle ansieht, der eine Behinderung ankündigt oder andeutet. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nicht ohne Grund war, dass es die Kirchen waren, die das Risiko eingegangen sind, einen Gehörlosen in einer Führungsposition einzustellen, und nicht eine öffentliche Bibliothek oder sogar ein privates Unternehmen. Die Kirchen waren in dieser Hinsicht absolut vorbildlich.
(Übersetzung aus dem Französischen)