Bibliothek und Ludothek: Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Aus der Sicht des Sharing-Gedankens sind Ludotheken und Bibliotheken identisch. Beide Institutionen bieten Medien (Bücher, Spiele usw.) zur kostengünstigen Ausleihe an. Nach der Nutzung (Lesen, Spielen usw.) werden die Medien zurückgegeben und stehen anderen Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung.
Im Bereich der Nachhaltigkeit bieten beide Institutionen eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft. Als soziale Treffpunkte können Bibliotheken und Ludotheken in Quartieren und Gemeinden Begegnungsorte schaffen. Durch Lesungen, Spielanlässe, Diskussionsforen, Sprachcafés und andere Veranstaltungen schließen sie bildende und kulturelle Lücken in der lokalen Gemeinschaft und Gesellschaft.
Betrachtet man die Ebene der angebotenen Waren und Dienstleistungen (Spiele, Fahrzeuge usw. vs. Bücher, Hörbücher usw.), so sind Unterschiede erkennbar: Brettspiele, Spielwaren (Playmobil, Barbie usw.) und Fahrzeuge müssen auf Vollständigkeit, Sauberkeit und Funktionsfähigkeit geprüft werden. Dies erfordert eine Nachbearbeitungszeit, die je nach Größe, Vielfalt und Komplexität der Ausleihware zwischen 1-2 Minuten und 20-30 Minuten variieren kann. Bücher, Hörbücher und andere Bibliotheksmedien werden bei der Rückgabe nur optisch begutachtet, was den Rückgabeprozess (Entgegennahme und Ablage auf den Rückgabewagen) nicht wesentlich verzögert.
Zusätzlich benötigen Ludotheksartikel mehr Raum, da diese aufgrund von Volumen und Formen nicht immer einfach stapelbar sind.
Auf der finanziellen Seite besteht meist auch ein Unterschied. Medien des Bibliothekssortiments sind in der Regel in den Jahresabonnementen eingeschlossen, Ludotheksartikel haben eine Ausleihgebühr, die laufend Einnahmen generieren.
Bibliothek Wohlen mit Ludothek (Foto : Kornhausbibliotheken)
Ausgangslage
Neben der von der Gemeinde betriebenen Bibliothek befand sich auf demselben Stockwerk, mit separatem Eingang, die von freiwilligen Mitarbeiterinnen betriebene Ludothek. Wie in vielen Bereichen der Freiwilligenarbeit wurde hier viele Arbeiten mit großem Enthusiasmus geleistet. Die Entlohnung war deutlich niedriger als die in der Bibliothek nach Gemeindetarif bezahlten Gehälter.
Nach über zwanzig Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit geriet die Ludothek in Schwierigkeiten: Die neuen Arbeitsformen auf dem freien Markt (Teilzeit, Homeoffice etc.) führten zu einem Mangel an Nachwuchs. Die Mitarbeiterinnen der Ludothek wandten sich an die Gemeinde Wohlen und baten um Unterstützung bei der Lösung des Problems. Der Gemeinderat Wohlen entschied sich zur Zusammenführung der Gemeindebibliothek und der Ludothek mit gleichzeitiger neuer Unterstellung in die Kornhausbibliotheken.
Der demokratische Entscheid und die Umsetzung
Ende Juni 2023 wurde an der Gemeindeversammlung einstimmig beschlossen, die Gemeindebibliothek und die Ludothek unter der Leitung der Kornhausbibliotheken zusammenzulegen. Dies ermöglichte den Beginn der Umsetzungsphase. Viele Arbeiten waren bereits im Voraus provisorisch geplant, sodass insbesondere bauliche Maßnahmen wie das Abreißen und Neuerrichten von Wänden sowie das Mobilisieren von Regalen kurzfristig in Auftrag gegeben werden konnten. Dank des enormen Einsatzes der Teams der Bibliothek und der Ludothek konnte innerhalb von drei Monaten die neue „Gemeindebibliothek mit Ludothek“ entstehen. Auch die Kornhausbibliotheken trugen wichtige Ressourcen bei, insbesondere im Bereich IT, Personal und durch die Anpassung von Kundendaten und den Versand neuer Ausweise.
Die Wiedereröffnung
Mitte Oktober 2023 präsentierte sich die Bibliothek mit Ludothek in einem neuen Gewand. Ein großzügiger Eingangsbereich mit Platz für Kinderwagen wurde geschaffen. Die Bereiche für Kinder und Ludothek sind nun zusammengelegt, während die Bereiche für Erwachsene und Jugendliche weiterhin gleich viel Raum wie zuvor haben. Die zugunsten der Hintergrundbüros gewonnene Fläche kam hauptsächlich der Ludothek zugute, die zuvor recht beengt war und nun besser im Stockwerk verteilt werden konnte.
Im Oktober 2023 präsentierte sich die Bibliothek mit Ludothek in einem neuen Gewand
(Foto: Kornhausbibliotheken)
Change-Prozess nach dem 8-Stufen-Modell von J.P. Kotter
1. Dringlichkeit erzeugen
Für die Teammitglieder der Ludothek war die Dringlichkeit gegeben. Entweder wird eine Lösung gefunden oder die Ludothek musste schliessen.
2. Das Projektteam zusammensetzen
Unter der Leitung eines Projektleiters der Kornhausbibliotheken wurde ein Projektteam zusammengestellt aus Mitgliedern der Gemeinde Wohlen, der Ludothek und der Bibliothek.
3. Visionen erstellen
Im Laufe der Vorbereitungen entstand die Vision der Ausgestaltung einer geräumigen neuen Mediothek zu Gunsten der bestehenden und möglichen neuen Kundinnen und Kunden.
4. Mitarbeitende zu Beteiligten machen
In beiden Teams waren Ängste vorhanden, die geliebte Arbeitsweise, die Arbeitsabläufe und auch den gewohnten Alltag zu verlieren. Da das Team der Bibliothek ¾ der Belegschaft ausmachen sollte, waren hier die Ängste sicherlich etwas grösser. Hier herrschte vor allem die Frage der Zählung der Spielartikel als vordringlichstes Problem. Seitens der Ludothek war die Angst vorhanden, nicht genügend Platz nach dem Umbau zu erhalten.
Dank der Vorplanung mittels einer detaillierten Skizze konnten die meisten räumlichen Fragen vorgängig geklärt werden und so die Ängste seitens der Ludothek gemildert werden. Seitens der Bibliothek brauchte es einige Gespräche, um auch hier die Veränderungen zu erläutern und eine stabile Zukunft für das neue Gefäss skizziert werden konnte.
Lokal wurden Informationen in der Gemeindezeitschrift publiziert. Zusätzlich entstand eine Begleitgruppe, um eine Aussensicht der geplanten Aktivitäten zu erhalten. An zwei Info-Veranstaltungen wurden das Projekt erläutert und es bestand die Möglichkeit Fragen zum Projekt zu stellen.
5. Befähigen der Mitarbeitenden
Die neuen Teammitglieder hatten, neben theoretischen Schulungen, Einsätze in bestehenden Partner-Bibliotheken und Ludotheken. So konnte vor Ort die Grundlagen des neuen Ausleihsystems erworben werden.
6. Schaffen schneller Erfolge
Der Entscheid fiel Ende Juni, Mitte Oktober konnten wir neu eröffnen. Diese Umsetzung war sehr sportlich und verlangte viel von allen Beteiligten. Mit einem kleinen Eröffnungsfest und dem raschen Übergang zum neuen Normalbetrieb fand bei den Benutzenden Anklang. Die meisten Feedbacks waren äusserst positiv, die negativen Reaktionen waren vor allem auf die neue Lebendigkeit zurückzuführen.
7. Konsolidierung und Einleiten von neuen Veränderungen
In dieser Phase stehen wir nun. Die eine oder andere Veränderung wird zurzeit diskutiert und mögliche Lösungsansätze werden entwickelt. Als Beispiel sei hier sicherlich die Frage, auf welche Weise Ludotheksmedien gezählt werden sollen und müssen.
8. Verankerung der neuen Ansätze in der Kultur
Folgt nach der Umsetzung der Veränderungen.
Die Bereiche für Kinder und Ludothek sind nun zusammengelegt (Foto: Kornhausbibliotheken)
Fazit
Das Projekt konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Einige Justierungen sind noch in Arbeit, Probleme werden weiterhin erfasst und Lösungsansätze erstellt.
Neben neuen Kundinnen und Kunden, die gewonnen werden konnten, darf der finanzielle Aspekt nicht außer Acht gelassen werden. Ludotheksartikel sind nicht im Jahresabonnement enthalten und tragen somit zur Sicherstellung der Einnahmen bei.
Das Wichtigste zum Schluss: Die Ludothek konnte so gerettet werden und fast alle Kundenreaktionen sind positiv. Wir, das Team der Gemeindebibliothek mit Ludothek Wohlen, freuen uns weiterhin ein Teil der regionalen Gemeinschaft zu sein.