Joysticks und ein Bus: Das Videospielangebot im Bibliobus Jura & Grand Chasseral

13.11.2024 | Von Julie Greub | Bestand | Aus den Bibliotheken | Bibliobus| Videospiele

Der Bibliobus Jura & Grand Chasseral hat seit Anfang des Jahres Videospiele in seine Sammlung aufge-nommen. Das Startangebot umfasste 50 Spiele für die Konsolen Nintendo Switch sowie Playstation 4 und 5. Nach einigen Monaten ist es nun an der Zeit, eine Bilanz dieses neuen Angebots zu ziehen.

Von Julie Greub
Julie Greub ist seit 2013 Leiterin des Bibliobus Jura & Grand Chasseral. Zuvor war sie 12 Jahre lang in der Stadtbibliothek Biel tätig. Sie ist Bibliothekarin BBS und hat zudem das Vergnügen, die Bibliothekskommission des Kantons Bern zu präsidieren und im Vorstand von Biblioromandie zu sitzen.
Warum werden Videospiele angeboten?
Viele Bibliotheken haben bereits Videospiele in ihrem Bestand - aber bis Ende 2023 gab es in der Juraregion kein solches Angebot. Eine kurze Umfrage unter den Institutionen im Jura und im Grand Chasseral ergab, dass nur die Ludothek in Delémont Videospiele anbietet. Dieser Umstand bestätigte uns, dass das Projekt, das uns seit einiger Zeit im Kopf herumschwirrte, das Richtige war: Die Zeit war reif dafür.

Wir sind der Meinung, dass Videospiele in einer Bibliothek absolut ihren Platz haben. Videospiele sind nicht mehr nur ein vergängliches Vergnügen, sondern haben sich zu einem eigenständigen kulturellen und künstlerischen Produkt entwickelt. Durch die Mischung aus komplexen Geschichten, innovativen Grafiken, fesselnden Soundtracks usw. fördern Videospiele Kreativität, Denken, Einfallsreichtum oder auch Zusammenarbeit. Die Aufnahme einer Videospielsammlung in eine Bibliothek bedeutet, dass der kulturelle Wert dieses Mediums anerkannt wird.  

Unser Ansatz zielt auch darauf ab, die vorgefassten Meinungen über Videospiele zu entmystifizieren, die oft noch mit negativen Stereotypen (Bildschirmsucht, Isolation, Gewalt...) verbunden sind, sowie das Verständnis und den Dialog über dieses Medium zu fördern. Bibliotheken haben die Aufgabe, den Zugang zu Kultur zu demokratisieren und zu erleichtern. Das Ausleihen von Videospielen kann zu dieser Entwicklung beitragen. Der Kauf von Spielen kann eine nicht zu unterschätzende finanzielle Herausforderung darstellen, da der Preis für ein neues Spiel bis zu 80 CHF betragen kann, ohne die Anfangsinvestition für eine Konsole zu berücksichtigen. Indem sie die Ausleihe von Videospielen ermöglicht, fördert die Bibliothek die Gleichberechtigung, da sie ihren Mitgliedern die Möglichkeit gibt, Neuheiten zu entdecken oder mit „Kult“-Spielen zu experimentieren.

Das Videospielangebot des Bibliobus trägt zur Bereicherung und Diversifizierung der Sammlung bei, erreicht ein neues Publikum, bekämpft Vorurteile und ermöglicht einen breiten Zugang zu einer Kunst-form, die sich ständig weiterentwickelt. 

Wie gingen wir vor?
Während der Vorbereitungsphase haben wir uns intensiv mit dem Thema Videospiele in Bibliotheken beschäftigt. Die ausgezeichnete Bachelorarbeit von Jean-Jacques Charrière „Press start: sur l'intégration du jeu vidéo à la médiathèque de Monthey“ (2022) hat uns sehr geholfen, da sie sehr viele theoretische, aber vor allem auch praktische Aspekte zum Aufbau einer Spielesammlung enthält. Wir holten auch Informationen von den Bibliotheken in La Chaux-de-Fonds (eine der ersten Bibliotheken in der Romandie mit einem Spieleangebot), Vevey und Biel ein.

Bei unserer Zufriedenheitsumfrage im Jahr 2022 hatten wir eine Frage zum Interesse der Öffentlichkeit an diesem neuen Medium im Fragebogen aufgenommen. Wir haben unsere Mitglieder auch gefragt, welche Art von Konsole sie besitzen. Dies half uns, die Sammlung besser zu definieren. Nachdem wir diese Informationen gesammelt hatten, konnten wir damit beginnen, ein Profil unserer zukünftigen Sammlung zu erstellen.
 
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Der Ansatz zielt auch darauf ab, die vorgefassten Meinungen über Videospiele zu entmystifizieren
(Bild: Canva.com)
 
Die Auswahl der Spiele
Wir haben uns dafür entschieden, Spiele für die Konsolen Nintendo Switch, Playstation 4 und Playstation 5 auszuwählen. Wir haben auf die Xbox-Konsolen verzichtet, da diese in den meisten Familien anscheinend weniger verbreitet sind. Wir haben 60 % Spiele für Nintendo und 40 % Spiele für Playstation ausgewählt. Kultspiele“ (z. B. Minecraft) wurden manchmal für beide Formate gekauft.
Nach einigen Monaten stellen wir fest, dass Nintendo Switch-Spiele am häufigsten ausgeliehen werden, weit mehr als die Spiele für Playstation 4 und 5. 

Was die Art der Spiele angeht, haben wir folgende Wahl getroffen: Wir kaufen Mainstream-Titel, aber auch einige weniger bekannte Titel. Das Ziel ist es, eine Sammlung von Spielen für Familien anzubieten. Allerdings schaffen wir kaufen keine Spiele für Kleinkinder (unter 3 Jahren) an, da wir der Meinung sind, dass Kinder in diesem Alter grundsätzlich keinen Zugang zu diesen Spielen haben sollten. Ebenso haben wir uns entschieden, keine Spiele ab 18 Jahren anzubieten.

Wir bieten Denk-, Abenteuer-, Sport- oder Kreativitätsspiele an. Die Spiele werden nach ihrer Qualität und Empfehlungen von spezialisierten Websites ausgewählt. Als Ergänzung zu den Spielen haben wir auch zwei Nintendo Switch-Konsolen gekauft, die wir für 28 Tage kostenlos verleihen. So können die Familien das Gerät testen und die Spiele ausprobieren, bevor sie diese vielleicht kaufen.

Bearbeitung der Medien
Die Spiele werden bei CeDe.ch und bei Fnac gekauft. Wir achten auf Ausverkaufszeiten (z.B. Black Friday), bei denen es Rabatte gibt, und erwerben auch gebrauchte Spiele. Nach der Katalogisierung müssen wir das Spiel und die Schachtel noch etikettieren. Um Diebstähle zu vermeiden, obwohl der Bus innen nicht sehr groß ist, haben wir uns dafür entschieden, nur die leeren Schachteln auszustellen. Die Spielkassetten (Nintendo) und Discs (Playstation) sind separat aufbewahrt und nur für Bibliotheksmitarbeitende zugänglich, die sie bei der Ausleihe aushändigen. Die Kassetten werden in speziellen kleinen Schachteln und die Discs in einer Reissverschlusstasche aufbewahrt (erhältlich z. B. bei Galaxus).

Ausleihbedingungen
Aufgrund des geringen Umfangs der Sammlung verleihen wir momentan nur ein Spiel pro Familie. Die Ausleihe ist kostenlos, da wir möchten, dass das Angebot für alle zugänglich ist. Wir haben uns überlegt, wie wir die Altersgrenzen einhalten können und folgende Entscheidung getroffen: Wenn ein Kind ein Spiel ausleihen möchte, dessen Altersempfehlung höher ist (z. B. das Eishockeyspiel NHL 24 mit einer Altersgrenze von 12 Jahren), verleihen wir das Spiel nur, wenn ein Elternteil sein Einverständnis gegeben hat.
Für das Ausleihen von Konsolen benötigen wir die Zustimmung sowie Unterschrift eines Erwachsenen und überprüfen bei der Rückkehr der Konsole immer gewissenhaft den Zustand der Konsole. Bisher haben wir glücklicherweise keine besonderen Schäden festgestellt.
 
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Das Videospielangebot des Bibliobus trägt zur Bereicherung und Diversifizierung der Sammlung bei
(Foto: Julie Greub)

Vermittlung
Bei der Einführung der Sammlung haben wir die Videospiele  auf unserer Website und in unseren sozialen Netzwerken beworben. Ausserdem wurden erläuternde Poster in den Bussen aufgehängt. Wir begleiteten die Spiele mit Büchern über Videospiele und den Bildschirmkonsum in der Familie. Es er-schien uns wichtig, dass Familien sich über das Thema informieren können. Wir haben noch keine speziellen Veranstaltungen zum Thema Videospiele durchgeführt, aber wir könnten dies in Betracht ziehen, z. B. indem wir Spiele im Bibliobus vorführen, da wir einen Bildschirm und einen Beamer an Bord haben.

Erste Bilanz
Die Spielesammlung war sehr schnell ein grosser Erfolg. Die meisten Spiele werden immer noch ausge-liehen (derzeit gibt es 8 Vorbestellungen für das Spiel „Super Mario Party“!). Nur einige Spiele für ältere Kinder (16 Jahre) und für die Playstation werden kaum ausgeliehen. Beide Konsolen wurden bereits 8 Mal ausgeliehen, und es gibt 12 bestehende Reservierungen. Wir sehen eine starke Nachfrage nach Nintendo Switch-Spielen und werden das Angebot für dieses Medium noch weiter ausbauen.

Die Reaktionen des Publikums waren unterschiedlich: Die Kinder sind natürlich begeistert und wenn wir Schulklassen empfangen, gibt es immer einen Moment der Überraschung, da die Kinder staunen, dass man Videospiele ausleihen kann. 
 Die Eltern sind geteilter Meinung: Einige finden die Idee grundsätzlich gut, während andere ihre Kinder lieber von den Bildschirmen fernhalten möchten. Unsere Bibliotheksmitarbeitende werden manchmal Zeuge von regelrechten Familienverhandlungen...

Auch unter den Mitarbeitenden gab es zu Beginn des Projekts manchmal eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Medium. Wir stellen jedoch fest, dass Videospiele keine grosse Bedrohung für das Buch darstellen, das nach wie vor das am häufigsten ausgeliehene Medium in unserer Sammlung ist. Wir stellen jedoch fest, dass Videospiele keine große Bedrohung für das Buch darstellen, das nach wie vor das am häufigsten ausgeliehene Medium in unserem Bestand ist. Das neue Angebot hat auch dazu beigetragen, das Wissen und die Kompetenzen der Mitarbeitenden in Bezug auf die neuen digitalen Medien zu erweitern.

Ausblick
Die ersten Erfahrungen sind sehr positiv, und angesichts der begeisterten Reaktionen unserer Mitglieder werden wir die Sammlung weiter ausbauen. Eine neue Bestellung ist bereits in Vorbereitung.

Links
Die Bachelorarbeit „Press start“ von Jean-Jacques Charrière >
Die Videospielsammlung des Bibliobus >
Details auf der Website des Bibliobus >

(aus dem Französischen übersetzt)

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