Von Januar bis Juni 2016 haben wir - die Stadtbibliothek Vevey - rund 20 Termine im Rahmen des Veranstaltungszyklus «Plein écran!l» angeboten. Ziel dieser Veranstaltungsreihe war, einen positiven Blick auf Bildschirme, einschliesslich Videospiele, zu vermitteln. Zahlreiche Eltern sprachen bei dieser Gelegenheit über ihre Ängste bezüglich des Verhältnisses ihrer Teenagerkinder zu Videospielen, insbesondere im Anschluss an den Vortrag «Apprivoiser les écrans» von Serge Tisseron am 21. Januar 2016.
Zu wissen, dass ihre Kinder in ihren Zimmern eingeschlossen sind, um potenziell gewalttätige Videospiele zu spielen, löste in der Tat grosse Besorgnis aus. Wir hatten das Gefühl, dass diese Eltern Bildschirme im Allgemeinen und Videospiele im Besonderen verteufelten. Aus dieser Beobachtung heraus wollten wir einen Raum, den «espace Pixel», einrichten, in dem verschiedene digitale Aktionen angeboten werden sollen. Ziel war es, einen Ort des Dialogs zwischen Eltern und Kind, Kind und Bibliothekar/in sowie Eltern und Bibliothekar/in zu schaffen.
Videospiele sind ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft
(Foto: Bibliothèque municipale de Vevey)
Videospiele haben in den letzten Jahren auf kultureller und industrieller Ebene einen regelrechten Boom erlebt. Die Videospielindustrie ist mittlerweile lukrativer als die Musik- und Filmindustrie zusammen. Dennoch ist sie in Bibliotheken schlecht vertreten, obwohl seit 2020 immer mehr Bibliotheken die Ausleihe von Videospielen anbieten. Videospiele sind mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Die Förderung und Bereitstellung von Videospielen gehören daher, unserer Meinung nach, auch zu den Aufgaben von öffentlichen Bibliotheken.
Die Ziele, die wir uns bei der Einrichtung des «espace Pixel» gesetzt haben, sind vielfältig:
- Einen Raum zum gemeinsamen Spielen anbieten.
- Vermittlungsaktionen anbieten.
- Soziale Bindungen schaffen.
- Die digitale Kluft in bestimmten Bevölkerungsgruppen verringern.
- Den Dialog mit den Eltern schaffen und das Interesse der Eltern an Videospielen wecken.
- Videospiele und die Menschen, die davon leben, sichtbar machen.
- Ein Angebot in den Vordergrund stellen, das Zielgruppen ansprechen kann, die nicht in die Bibliothek kommen; sich an die Zielgruppen anpassen.
- Allen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit bieten, Videospiele zu spielen, die nach wie vor ein teures Hobby sind (ein Videospiel kostet zwischen 70 CHF und 80 CHF, eine Spielkonsole über 500 CHF).
Der «espace Pixel» bietet einen Ort zum gemeinsamen Spielen
(Foto: Bibliothèque municipale de Vevey)
Das Projekt dauerte ein Jahr, von Februar 2017 bis zum 16. Februar 2018. An diesem Tag fand dann auch die Vernissage des «espace Pixel» statt. Um zukünftigen Bibliotheken zu helfen, die einen Gaming-Raum einrichten möchten, hier einige Meilensteine, die wir für wichtig halten:
- Lobbyarbeit gegenüber Politikern und der Öffentlichkeit. Es ist unerlässlich, die Unterstützung der politischen und insbesondere der kommunalen Ebene zu haben, falls es zu Protesten oder gar Beschuldigungen von unzufriedenen Nutzerinnen und Nutzern kommen sollte.
- Bildung einer Arbeitsgruppe, in diesem Fall waren es zwei Bibliothekarinnen, eine Mediatorin und ein Videospielexperte.
- Suche nach finanziellen Mitteln.
- Suche und Schaffung eines Standorts für den Gaming-Bereich. Dieser Schritt war fast der komplizierteste, da es darum ging, zu bestimmen, wo ein lauter Raum angesiedelt werden sollte (obwohl die Stadtbibliothek von Vevey das Credo hat, eine laute Bibliothek zu sein).
- Kauf von Möbeln und Hardware (Computerausrüstung).
- Einrichtung (LAN, Stromversorgung usw.), dieser Aspekt wird oft vernachlässigt.
- Videospielbestand (Überwachung, Erwerb, Ausstattung, Einrichtung).
- Erstellung einer Charta, die von den Nutzerinnen und Nutzern unterzeichnet werden muss. Bei Minderjährigen muss der/die gesetzliche Vertreter/in unterschreiben.
- Schulung des Personals.
Die Bibliothek stellt einen Treffpunkt für Kinder zur Verfügung, die Videospiele mögen
(Foto: Bibliothèque municipale de Vevey)
Dank des «espace Pixel» konnte die Diskussion über Bildschirme in der Bibliothek weitergeführt werden. Eine große Anzahl von Eltern hat Schwierigkeiten, den Umgang mit Bildschirmen zu Hause zu regeln. Zu Beginn des Projekts befürchteten sie, dass die Bibliothek diese Situation noch verschlimmern würde. Das Angebot ermöglichte es, einen Dialog zwischen den verschiedenen Parteien in Gang zu setzen, um dann Wege vorzuschlagen, wie man den Umgang mit Bildschirmen begleiten kann. Mit dem «espace Pixel» stellt die Bibliothek einen Treffpunkt für Kinder zur Verfügung, die Videospiele mögen. Anstatt allein in ihrem Zimmer zu sein, treffen sich die Kinder in der Bibliothek, um gemeinsam zu spielen. Es haben sich sogar Freundschaften gebildet.
Videospiele haben unter anderem dazu beigetragen, das öffentliche Image der Stadtbibliothek von Vevey zu verändern und sie für das Publikum attraktiver zu machen. Die Erfahrungen mit Videospielen in der Bibliothek haben gezeigt, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die wegen dieses Mediums gekommen waren, sich anschliessend auch für andere Dienstleistungen der Bibliothek interessierten. Das Bild der Bibliothek hat sich dank der zahlreichen Vermittlungsaktionen ebenfalls verändert. Die Aktivitäten rund um das Thema Videospiele haben es ermöglicht, Zielgruppen anzusprechen, die noch nie zuvor eine Bibliothek besucht hatten.
Das Experiment «espace Pixel» hat sich als voller Erfolg erwiesen. Die Besucherzahlen im Jahr 2018 lagen bei 479 Personen und die Ausleihen von Videospielen beliefen sich auf 1723. Im Jahr 2023 besuchten 3207 Personen (+670 %) den «espace Pixel» und 7896 Ausleihen (+458 %) wurden getätigt.
Videospiele haben dazu beigetragen, das öffentliche Image der Bibliothek zu verändern
(Foto: Bibliothèque municipale de Vevey)
(aus dem Französischen übersetzt)