Fast die halbe Grundfläche des Schulhauses Sternmatt 2 steht im Parterre für die gut 7000 Medien zur Verfügung. Der Raum ist mit Glaswänden von der Eingangshalle her gut einsehbar und damit ideal platziert.
257 Jugendliche besuchen in 16 Oberstufenklassen den Unterricht im Schulhaus. Zusammen mit dem 35-köpfigen Lehrerteam bilden sie die Kundschaft der Mediothek Sternmatt 2, die in einem 70%-Pensum von mir geleitet wird. Gern berichte ich über meine Arbeit und verrate ein paar Best-Practice-Tipps. Aber fragen wir die Jugendlichen doch gleich selber, warum die Mediothek Sternmatt 2 aus ihrer Sicht erfolgreich ist und was ihnen hier besonders gefällt!
Eine Handvoll Jugendlicher lümmelt gerade in den Fatboys, den bequemen Sitzsäcken der Mediothek, aus denen das Aufstehen schwer fällt. Fast täglich sind die Teenager hier anzutreffen. Weniger, weil sie begeisterte Leserinnen und Leser sind, sondern ganz einfach, weil sie sich gern in der Mediothek aufhalten. Sie sind eine aufgeschlossene, aufgestellte und sehr engagierte Gruppe, die gern bereit ist, Auskunft darüber zu geben, wie das ABC einer erfolgreichen Mediothek lautet:
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Am wichtigsten ist Mambo», meint Michelle aus der 3. Realklasse strahlend. Michelle ist ein grosser Fan des Schulhundes und besucht ihn regelmässig. Seit einem guten Jahr begleitet mich Golden Retriever Mambo an zwei Tagen pro Woche in die Mediothek. Es sind ganz klar auch die Tage, an denen die Mediothek besonders gut frequentiert wird. Die Jugendlichen kommen herein, sobald sie die Aufstelltafel beim Eingang erblicken, die Mambos Anwesenheit signalisiert. Mambo ist nicht nur ein freundlicher Hund, der Kinder und Jugendliche besonders mag, Mambo ist auch Zuhörer. Man kann ihm vorlesen – auch wenn man sehr schlecht liest. Er bleibt geduldig und ruhig und kritisiert nie. Man kann ihn vor einer Prüfung aufsuchen und sich bei ihm mit Streicheln vom Stress befreien – was übrigens auch bei den „harten“ Jungs sehr beliebt ist. Und nicht zuletzt macht Mambo auch gern bei Foto- und Filmprojekten mit, die danach via Social Media geteilt werden und an denen die Schülerinnen und Schüler auch gleich alles Wissenswerte über Persönlichkeits- und Urheberrechten erlernen können.
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Besonders entscheidend sind die bequemen Sitzgelegenheiten.» Dieses Votum kommt von Tobias aus der 2. Sekundarklasse. Auch er ist ein guter Mediotheksbesucher. «Ich bin ja nicht so ein fleissiger Leser», meint er, «aber auf dem Sofa der Mediothek gefällt es mir eben super! Und dass wir am Nachmittag die Pause hier verbringen dürfen ist auch top!» schiebt er noch nach. Dass er dabei von zahlreichen Comics, Mangas, dem Bravoheft oder speziell drapierten Jungs-Büchern in Griffnähe umgeben ist, die ihn bei jedem Besuch zum Anschauen verleiten, das fällt ihm gar nicht auf. Viele Jungs sind der Überzeugung, dass das Lesen von Sachbüchern oder Comics weniger Wert sei als das Romanlesen. Weit gefehlt! Jede Art zu lesen ist wertvoll! Das versuche ich ihnen denn auch immer wieder vor Augen zu führen. In den nun 20 Jahren, die ich als Leiterin von Mediotheken tätig bin, haben mir die Heranwachsenden beigebracht, welche Medien sie bevorzugen. Zum Beispiel mögen Jungs besonders häufig Bücher, die ihnen häppchenweise Facts anbieten und die man nicht von vorn bis hinten durchlesen muss, um etwas Interessantes zu erfahren. Leseschwache Jugendliche bevorzugen Mitmach-Bücher in einfacher Sprache, aber dennoch mit altersgerechten Themen. In der Couch-Ecke lege ich deshalb immer gern etwas „Anmächeliges“ bereit: ein Survival-Buch, ein Mitmachbuch (z.B. Mach dieses Buch fertig), der Titel „Unnützes Wissen“, eine lustige Infografik und natürlich das neuste Guinness-Buch. Gern schlage ich ein Buch auch gleich auf einer spannenden Seite auf, lege es auf den Couchtisch und beobachte gespannt, was sich ergibt. Oft stecken schon bald mehrere Jugendliche gemeinsam die Köpfe in ein Buch und unterhalten sich dabei blendend. Was für ein Erfolg! Sie werden ganz sicher bei nächster Gelegenheit wiederkommen und erneut nach etwas Spannendem greifen.
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Cool finde ich, dass wir in der Mediothek mit iPads arbeiten dürfen». Das meint Laura aus der 3. Realklasse. Während jeweils 10 Wochen pro Klasse können die Schülerinnen und Schüler der 3. Oberstufe eine iPad-Kiste für den Unterricht nutzen. Die Kiste bleibt dabei im Schulzimmer und die Geräte werden so oft wie möglich während des ganzen Tages eingesetzt. Mindestens einmal wöchentlich kommt die Klasse zu einer Input-Lektion zu mir in die Mediothek. Sie lernen dabei Tricks zum Recherchieren oder absolvieren eine QR-Ralley. Sie produzieren Trickfilme, E-books oder Bildercollagen und präsentieren die Ergebnisse danach mit Hilfe des Beamers der ganzen Klasse. Auf Wunsch können besonders gelungene Produkte auch via Social Media veröffentlicht werden. Dank dieses iPad-Projektes verfügt die Mediothek über WLAN. Und davon können wiederum alle Besucherinnen und Besucher profitieren: Wer mit seinem eigenen Gerät (Handy, Notebook, Tablet) die Mediothek aufsucht und dieses zum Arbeiten benötigt, erhält bei mir einen persönlichen WLAN-Zugang im Ticket-System. Ob iPad-Kiste, WLAN oder weitere technische Gadgets: es bleibt anzumerken, dass alle diese Extras ohne den technischen Support der IT-Abteilung unserer Schule nicht möglich wären. Wir haben das Glück, dass sich unsere Supporter schnell von der Begeisterung für eine Idee anstecken lassen und keinen Aufwand scheuen, damit vieles machbar wird.
Die Mediothek als Medienzentrum
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Inzwischen haben sich die Jugendlichen aus der Fatboy-Ecke verzogen. Einige sitzen nun an den 12 fix installierten PC-Stationen im vorderen Bereich der Mediothek und lösen Hausaufgaben oder spielen Games. Alles Legale und Altersgerechte ist erlaubt – aber lautlos. Sprich: Die Jugendlichen holen dazu ihre Kopfhörer hervor oder leihen sich welche an der Theke aus. Die Grundhaltung an unserer Schule ist, präventiv aufzuklären, im Gespräch zu bleiben und abgesehen vom üblichen Kinderschutz keine bestimmten Internetseiten oder Soziale Netzwerke zu sperren. In den ersten Wochen der Oberstufe besuchen alle neuen Erstklässler bei mir einen Workshop zum Thema «Mein Auftritt im Netz». Dabei erfahren sie nicht nur viel Wichtiges darüber, wie sie sich und ihre Daten schützen können, sondern reflektieren auch ihr eigenes Verhalten im Internet. Diese Auseinandersetzung löst häufig einen spannenden persönlichen Austausch aus, der oft die ganzen drei Jahre an der Oberstufe bestehen bleibt. Dank der Niederschwelligkeit der Mediothek bin ich oft die erste Ansprechperson, wenn Jugendliche auf Schwierigkeiten stossen, und kann beraten oder Hilfe vermitteln. Im Gegenzug kriege ich jederzeit von Mädchen und Jungs einen Schnellkurs zu den angesagtesten Tools, Promis oder Games und weiss auf diese Weise gut Bescheid darüber, was gerade so „abgeht“.
Partizipation als Schlüssel zum Erfolg
Lesen ist entgegen so mancher Unkenrufe ganz und gar nicht aus der Mode gekommen. Aber die Reihenfolge hat sich heute oftmals umgedreht: Erst, nachdem ein Film erfolgreich in den Kinos gezeigt worden ist, kommt ein Buch gross heraus und wird zum Hype – vor allem bei den Mädchen. Das macht es einfach, einen Bestand zu generieren, der gefällt. Es gilt, eine ansprechende Anzahl „ähnlicher“ Titel zusätzlich zu den Bestsellern zu kennen, der vermittelt werden kann. Die Frage «Händ Sie öppis Ähnlechs wie…?» höre ich sehr oft und habe jeweils schnell das Passende zur Hand.
Das Reden, die Diskussion über das Gelesene, ist aus meiner Sicht etwas vom Wichtigsten überhaupt. Gerade bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, bei denen zu Hause kaum gelesen wird, müssen Inputs von anderer Seite kommen. Dabei spielt es keine Rolle, was gelesen wurde. Der Austausch über Buchinhalte, Charaktere, Covers, Illustrationen, Fotos oder die Geschichte an und für sich ist Beziehungsarbeit und motiviert zufällig mithörende Schülerinnen oder Schüler, ein Buch ebenfalls zu lesen. Nicht selten wird deshalb eine Lektüre gleich an der Theke weitergereicht, nachdem ich mich mit dem ersten Ausleiher darüber ausgetauscht habe. Dadurch werden Leserinnen und Leser selber zu Vermittlern von Leseinhalten und unterstützen mich unbewusst bei meiner Arbeit.
In der Mediothek Sternmatt 2 gibt es noch weitere Möglichkeiten für die Jugendlichen, sich selber einzubringen: Als Mitglied des M-Teams sind sie sozusagen freie Mitarbeiter und begleiten mich zum Medienkauf in die Buchhandlung. Oder wir organisieren Kino-Mittage in der Medio oder veranstalten Bastelevents mit ausgeschiedenen Büchern. Auch folgende Idee stammt vom M-Team: Neu ist an ausgewählten Mittwochnachmittagen die Mediothek offen. Schon der erste Versuch war ein voller Erfolg! Fast 20 Jugendliche fanden sich an einem heissen Spätsommertag ein und verweilten, ungezwungen und sichtlich erfreut, über längere Zeit in der Mediothek. Es scheint ein grosses Bedürfnis zu sein, sogar die Freizeit auf dem Schulareal zu verbringen und sich mit Gleichaltrigen des Schulhauses zu treffen, zu plaudern oder gemeinsam Hausaufgaben zu lösen.
Die Mediothekarin ist Teil des Lehrerteams
Neben den Jugendlichen stellen die Lehrpersonen eine weitere wichtige Zielgruppe dar. Auch ihnen ist die Mediothek sehr wichtig. Sie finden hier umfangreiche Unterrichtsmaterialien für alle Fächer, einen gut sortierten Bestand an Klassenlektüren, Themenboxen (z.B. zu den Themen „2. Weltkrieg“ oder „Flüchtlinge“), Medienboxen mit Lektüren und Zusatzmaterialien und erhalten auch jederzeit eine Beratung oder Hilfe bei der Durchführung von Medienprojekten mit Audio, Video oder Bildern. Auf der Webseite
www.mediobaar.ch finden sie neben dem Onlinekatalog auch Beschreibungen aller vorhandener Klassenlektüren und auf dem Medioblog umfangreiche Dossiers mit Links und Unterrichtsmaterialien zu aktuellen Themen aus der Medienwelt.
Die Mediothek ist für die Lehrpersonen ein Lernzentrum und eine Erweiterung des Klassenzimmers. Je nach Setting arbeiten die ganzen Klasse, einzelne Schüler oder eine Schülergruppe in der Mediothek und werden dann von mir in Absprache mit der Lehrperson beaufsichtigt oder unterrichtet. Als Mediothekarin bin ich Teil des Lehrerteams, nehme an allen Plenumssitzungen teil und übernehme auch in Projektwochen oder an Sporttagen Aufgaben. Diese zeitliche Investition zahlt sich mehrfach aus: es ergeben sich für mich beste Kontakte, eine hervorragende Zusammenarbeit mit dem Lehrerkollegium und viele neue Möglichkeiten, für alle Benutzerinnen und Benutzer diejenigen Angebote parat zu halten, die sie entlasten oder die sie sich wünschen. Ob Klassenlager, Weihnachtsball oder Pausenaufsicht – die Schülerinnen und Schüler nehmen mich wahr, kennen mich und kommen auf mich zu. Auf diese Weise kenne ich die Themen, die sie beschäftigen und kann ihnen in der Mediothek Entsprechendes anbieten.
Und nicht zuletzt:
Neugierig sind sie alle. Einige spannende Sätze aus einem Buch auf ein A3-Plakat gedruckt und irgendwo prominent im Schulhaus aufgehängt mit dem Hinweis auf das entsprechende Buch lockt immer wieder Interessierte in die Mediothek. Ebenfalls sehr erfolgreich: der wöchentliche Buchtipp als Foto via Instagram-Account der Mediothek, dem eine stattliche Anzahl Jugendlicher folgt. Oder das Blinddate, eine Art moderne Kinderüberraschung: In einer alten Holzkiste befinden sich goldig eingepackte, dünne Bücher, die zum Ausleihen verlocken und schon so manchen Gwunderfitz zum Lesen verführt haben.
Fazit:
Das Arbeiten mit Teenager ist spannend und herausfordernd. Kein Tag gleicht dem andern. Flexibilität, Kreativität und Empathie sind weit wichtiger als akribisches Katalogisieren oder alphabetisches Ordnen. Die Nutzerinnen und Nutzer stehen im Zentrum und wollen ernst genommen und gehört werden. Der Austausch über Medien und die Welt mit den Heranwachsenden belebt, hält agil und jung und ist ein unbezahlbares Privileg. Auch wenn nicht alle zu Leseratten werden: Jedes positive Erlebnis, das Schülerinnen und Schüler in der Mediothek haben, wirkt sich auf ihre Lesebiografie positiv aus. Davon bin ich überzeugt. Und wenn wie neulich ein ehemaliger Schüler, der nun im Berufsleben steht, einen Besuch bei mir in der Mediothek macht, sich dabei kurz umsieht und meint: «Es esch eifach schön do», dann weiss ich, dass ich ihm etwas Wichtiges mit auf seinen Weg geben konnte.
Claudia Bucheli, Leiterin Mediothek Sternmatt 2
mediobaar@gmail.com
041 766 02 91 G
Die Mediothek Sternmatt 2 ist auf Facebook, Instagram (Mediobaar) und Twitter (Mediomaus) zu finden und hat eine eigene Webseite: www.mediobaar.ch. |