Guter Service macht Kunden glücklich

25.07.2017 | Von Frank Raumel | Aus den Bibliotheken | Personal | Organisation | Auskünfte| Bekleidung| Dienstleistungen| Erscheinungsbild| Kundenfreundlichkeit| Kundenkontakt| Kundenorientierung

In Sachen Kundenzufriedenheit ist die Stadtbücherei Biberach bestens auf Kurs.

Von Frank Raumel
Frank Raumel ist Diplom-Bibliothekar und seit 1990 Leiter des Medien- und Informationszentrums Stadtbücherei Biberach. Er hat mit seinem engagierten Team mehrfach den ersten Platz im deutschen Bibliotheksranking BIX errungen. 2009 erhielt das MIZ die Auszeichnung "Bibliothek des Jahres", u.a. auf Grund hoher Innovationsfreude und großer Kundenorientierung. Er engagiert sich u.a. in der Fachkommission „Kundenorientierte Services“ des Deutschen Bibliotheksverbandes dbv. Sein Wissen und seine Erfahrungen im Bereich Kundenorientierung gibt er in Vorträgen und Workshops im In- und Ausland weiter.
Seit 1993 erhebt das Medien- und Informationszentrum Stadtbücherei Biberach (MIZ) alle 3 Jahre die Wünsche seiner Kunden durch eine umfangreiche Kundenbefragung. Die Ergebnisse werden vom Büchereiteam diskutiert, Anpassungen geplant, möglichst zeitnah umgesetzt und in der nächsten Kundenbefragung evaluiert. Die guten Leistungsdaten und eine niedrige Kundenfluktuation (2016: 18,3 %) mögen belegen, dass das Konzept der stringenten Kundenorientierung aufgeht.
 
Kundenorientierung, also die strategische Ausrichtung aller Produkte und Services auf die Wünsche des Kunden, ist im Leitbild des Medien- und Informationszentrums verankert und wird im Biberacher MIZ als kontinuierlicher Prozess verstanden, der alle Mitarbeiter betrifft. Schließlich wirtschaftet die Bibliothek mit öffentlichen Mitteln, die den Bürgerinnen und Bürgern optimal zu gute kommen sollen. Und das lässt sich nur selten aus dem „bibliothekarischen Bauch“ heraus organisieren – ein repräsentatives Meinungsbild der Kundschaft sollte Basis von Anpassungen in Bestand und Service sein. Selbstverständlich muss auch das Biberacher Bibliotheksteam dabei manchmal über den eigenen Schatten springen. Dann nämlich, wenn die Befragungsergebnisse von den eigenen Erwartungen abweichen. Doch in Zeiten stärker werdender Konkurrenz auf dem Medien- und Informationsmarkt, angesichts schwacher Budgets und rückläufiger Ausleihzahlen scheint es angebracht, Kundenorientierung noch professioneller anzugehen bzw. auszubauen.
 
Natürlich ist jede Bibliothek mit ihren spezifischen Kunden einmalig und es gibt selten leicht kopierbare Patentrezepte. Trotzdem sollen im Folgenden zwei Beispiele für kundenorientierte Maßnahmen in einer öffentlichen Bibliothek eines Mittelzentrums (die Kreisstadt Biberach an der Riß hat 33‘000 Einwohner) Möglichkeiten aufzeigen, bei denen sowohl die Kunden, als auch die Bibliothek hinzugewinnen kann: die Teamkleidung, die die Mitarbeiter für die Kunden besser erkenn- und ansprechbar macht und die Leihfristerinnerung, die die Kunden rechtzeitig auf die Rückgabe bzw. Verlängerung ihrer Medien hinweist.
 
Einheitliche Teamkleidung als Beitrag zu verbesserter Kundenorientierung  
Im Rahmen unserer Überlegungen zur Kundenorientierung wurde die Idee einer einheitlichen Teamkleidung entwickelt. Sie soll die Mitarbeiter im Service leichter erkennbar und ansprechbar machen. Gleichzeitig soll sie unser Selbstverständnis von Professionalität und Seriosität transportieren. Die Idee wurde bei der Diskussion zur 4. Auflage unseres Leitbildes bereits im Frühjahr 2007 geboren und von allen Mitarbeitern mitgetragen. Hintergrund war der Beschluss, ohne zusätzliches Personal die Öffnungszeiten von 30 auf 40 Stunden pro Woche zu erhöhen. Dies wurde zum einen durch die Umstellung der Selbstverbuchung auf RFID und die Einführung von Rückgabeautomaten ermöglicht, zum anderen durch die Zusammenlegung von administrativen und Beratungsdienstleistungen am neuen zentralen Servicepoint im Eingangsbereich. Mit nur zwei Personen pro Öffnungsstunde bestreiten wir seitdem erfolgreich mehr als 600‘000 Ausleihen an mehr als 9‘000 aktive Leser und die Betreuung von rund 260‘000 Besuchern pro Jahr (2016).
 
Die Kundenteams bestehen aus je einer Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste und einer Bibliothekarin/einem Bibliothekar. Sie liefern dem Kunden alle administrativen Dienstleistungen (Anmeldung, Gebührenzahlungen, Rückbuchung von Spielen und Kunstwerken, Adressänderungen, Verlängerungen, Auskünfte zum Kundenkonto etc.), sie beraten ihn bei der Literatursuche und -auswahl und sind behilflich, die Probleme des Kunden zu lösen. Für den Kunden ist dies Service aus einer Hand!
 
 
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Kundenservice aus einer Hand 

Damit Kunden, die auf den Publikumsetagen im Obergeschoss und Dachgeschoss unterwegs sind, für Fragen nicht immer ins Erdgeschoss kommen müssen, laufen die Servicemitarbeiter regelmäßig durchs Haus, prüfen technische Geräte auf Funktionsfähigkeit, die Geschosse auf Sauberkeit und suchen Kunden mit "fragenden Gesichtern". Da die Mitarbeiter mit roter Oberbekleidung, schwarzem Jackett und einem Namensschild gut erkennbar sind, werden sie jedoch meist direkt angesprochen.
 
Schwierig wird es erst, wenn Geschmacksfragen anstehen
Die Grundsatzfrage, ob das Team bereit ist, eine einheitliche Kleidung im Publikumsverkehr zu tragen, war im Rahmen der zweitägigen Teamfortbildung im Februar 2007 „Weiterentwicklung unseres Leitbildes“ schnell und einstimmig mit ja beantwortet worden. Getragen von der Überzeugung, dass sich ein einheitliches Outfit positiv auf Sichtbarkeit und Image der Bücherei auswirken werde, wurde vereinbart, das Projekt bis Ende 2007 umzusetzen. Dies erwies sich als der schwierigere Teil, denn es galt, nicht nur einheitliche Kleidung für Frauen und Männer in einem breiten Größenspektrum und mit langfristiger Wiederbeschaffungsgarantie zu finden, sondern auch Geschmacksdiskussionen zu einem Ergebnis zu führen. Eine zweiköpfige Arbeitsgruppe löste die schwierige Aufgabe und fand einen gemeinsamen Nenner für Art, Form, Material und Farbe der Teamkleidung. Nach der Marktsichtung wurden Hemden, Blusen, Jacketts und Polo-Shirts beschafft. Die Einigung war auf eine klassisch-zeitlose schwarz-weiß Kombination gefallen, die unserem Selbstverständnis von unaufdringlicher Professionalität am ehesten Ausdruck verleiht.
 
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Servicepoint: Kundenteam in Weiß / Schwarz      
 
Die Zustimmung des Personalrates erfolgte problemlos, da die flankierenden Maßnahmen zugesichert werden konnten: eine Umkleidemöglichkeit mit Garderobe wurde installiert, ein Arbeitspapier (pdf) zur Kleiderpflege, Nutzung und ev. Übernahme bei Zeitverträgen erstellt, neue Mitarbeiter bereits bei der Einstellung informiert und im Budget der Stadtbücherei wurden ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt. Seit Januar 2008 tragen nun alle MitarbeiterInnen während des Publikumsdienstes und bei Veranstaltungen Teamkleidung. Die Namensschilder wurden grafisch angepasst.
 
"Seid ihr aber chic"
Die Reaktionen der Kunden sind sehr positiv. Die Einheitlichkeit der Kleidung schafft Identifikation und Erkennbarkeit, die korrekte Garderobe verleiht v.a. jüngeren oder kleiner gewachsenen MitarbeiterInnen mehr Autorität. Wir wurden als "chic", "professionell" und "modern" bezeichnet. Die Reaktionen aus der Stadtverwaltung waren von Anerkennung getragen, denn die Teamkleidung stellt sicher, dass alle Mitarbeiter stets "ordentlich und angemessen" gekleidet sind. Eine Übernahme auf andere Abteilungen fand jedoch nicht statt. Berufskollegen reagierten mitunter überrascht über unsere "Uniform". Mit dem Hinweis auf die Freiwilligkeit und die Akzeptanz im gesamten Team verflog die Skepsis meist schnell.
 
Mut zu mehr Farbe
Das Tragen der Teamkleidung hat sich schnell etabliert. Nach zwei Jahren in dezentem Dienstleistungs-Weiß kamen erste Vorschläge, das Outfit etwas farbenfroher zu gestalten. Auch diesmal war die Grundsatzeinigung schnell gefunden und dafür die Farbauswahl eher kompliziert. Die Einigung auf ein leuchtendes Rot jedoch stellte alle Teammitglieder zufrieden. Die Auswahl an Oberbekleidung wurde für Arbeiten im Sorter inzwischen ausgeweitet: damit das Jackett nicht verschmutzt, gibt es nun noch eine Fleecejacke in schwarz als Alternative. Die Umkleidemöglichkeit im 4. Dachgeschoss besteht zwar noch, aber die Mitarbeiter ziehen sich meist kurz auf der Toilette um. Und so treten wir heute stolz und selbstbewusst als das Büchereiteam in der Öffentlichkeit auf.
 

Team mit BIX-Urkunde in Rot / Schwarz
 
Die Leihfristerinnerung zur Vermeidung von Mahngebühren
Als zweites Beispiel für Kundenorientierung sei die Einführung der Leihfristerinnerung genannt. Sie basiert technisch auf einem Programmmodul, das die Leser drei Tage vor Ablauf der Leihfrist auf die Notwendigkeit der Rückgabe und die Möglichkeit der Verlängerung hinweist. Dieses Instrument haben wir mit weiteren Zielen verknüpft und den Service ab 2009 unter folgenden Bedingungen angeboten:
  1. Es gibt die Leihfristerinnerung nur auf digitalem Weg als E-Mail oder SMS
  2. Es gibt sie umsonst, wenn uns der Kunde eine Einzugsermächtigung für alle entstehenden Gebühren erteilt.
  3. Wer uns eine Einzugsermächtigung erteilt bekommt die Jahreskarte für 24 statt für 28 €.
  4. Die Mitgliedschaft verlängert sich dabei automatisch, wenn keine Kündigung bis vier Wochen vor Ablauf erfolgt.
  5. Der Service ist auch für nichtzahlende Familienmitglieder möglich.
 
Was wurde mit dieser Umstellung erreicht:
  1. Der Anteil der unbaren Zahlungen ist auf über 96 % gestiegen
  2. Die Kundenfluktuation ist gefallen, die Kundentreue nachweislich gestiegen
  3. Das lästige Abrechnen kleiner Geldbeträge sowie Gebührenmahnungen wegen vergessener Begleichung entfallen.
  4. Die Befürchtung, dass dadurch die Einnahmen aus Mahngebühren rückläufig sein würden, hat sich nur vorübergehend bestätigt. Heute ist die Anzahl der gemahnten Medien und Nutzer höher denn je.
  5. Und:  Der psychologische Effekt hat spürbar zu mehr Kundenzufriedenheit geführt: die Vermutung, dass die Bibliothek die Kunden für verspätete Rückgabe bestrafen möchte, wird widerlegt. Umso mehr, als das MIZ die Kunden bei der Organisation der Rückgabe durch Ausleihbelege, die Online-Abfrage des Medienkontos und die digitale Erinnerung unterstützt, sowie das Verlängern so leicht als möglich organisiert hat.
 

Ergebnis Benutzerbefragung 2011 – Zufriedenheit mit aktuellen Veränderungen im MIZ
 
Kunden glücklich zu machen, zählt inzwischen zu den auch organisatorisch festinstallierten Zielen der Stadtbücherei Biberach. Ob Lesegarten oder Getränkeangebot, ob Spielmöglichkeiten für die Kinder nahe der Anmeldung oder erweiterte Bestandsangebote, ob mobiler Onlinekatalog oder eine gut ausgestattete Lernwerkstatt: Angebote und Dienstleistungen werden aus Kundensicht betrachtet, im Team diskutiert, bei den Kunden abgefragt, verständlich vermarktet und in ihrem Kundennutzen evaluiert.  
 
Der Kunde, der als „prosumer“ (producer und consumer) bereits 99 % aller Ausleihvorgänge und 96 % aller Rückgaben über die RFID-Automaten selbst erledigt, wird als Partner des MIZ zunehmend auch direkt in Bestandsentscheidungen eingebunden. So haben die Kunden im Mai/Juni 2017 bereits zum zweiten Mal über zusätzliche Zeitschriftenabos abgestimmt. Der Gedanke einer „Bibliothekscommunity“ wird u.a. auch über das Projekt „empfehlenswert“ vorangetrieben, bei dem Kunden Medien der Bibliothek anderen Kunden empfehlen.
 
Grundvoraussetzung für diese Entwicklung ist das Bewusstsein des gesamten Bibliotheksteams, dass wir als kommunaler Dienstleister unsere Aufgabe nur in enger Abstimmung mit den Kundenwünschen optimal erledigen können.
 
Frank Raumel
Bibliotheksleiter
 
Kontakt:
 
Medien- und Informationszentrum
Stadtbücherei Biberach
Viehmarktstr. 8
88400 Biberach 
www.medienzentrum-biberach.de 
0049 7351 51555
0049 1520 1555590
frank.raumel@biberach-riss.de 

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