Mit den vorhandenen Mitteln möglichst viel erreichen

23.02.2015 | Von Ruth Büttikofer | Benutzung | Öffentlichkeitsarbeit

Ruth Büttikofer, Dozentin in den SAB-Grundkursen, zum Thema Öffentlichkeitsarbeit und Marketing.

Von Ruth Büttikofer
Ruth Büttikofer hat an der Universität Bern Germanistik, Ethnologie und Pädagogik studiert. Sie hat an der HSW Luzern ein Nachdiplomstudium in Dienstleistungs-marketing und -management absolviert und ist Stellvertretende Leiterin Marketing und Kommunikation in der Schweizerischen Nationalbibliothek.
Sowohl Öffentlichkeitsarbeit als auch Marketing haben mit der Wirkung gegen aussen zu tun. Worum geht es bei der Öffentlichkeitsarbeit?
Bei der Öffentlichkeitsarbeit (ÖA) geht es darum, zu zeigen, was man tut, wie man es tut und auch warum. Bibliotheken leisten ja viel für eine Gemeinde oder eine Schule, und das soll sichtbar sein in der Öffentlichkeit, d.h., je nach Bibliothek in der Gemeinde, in der Region, im Kanton. Das Ziel ist, die Bekanntheit der Bibliothek und ihrer Leistungen dadurch zu erhöhen und ihren Wert zu zeigen oder erlebbar zu machen. Das kann man erreichen durch Lesungen oder andere Veranstaltungen wie etwa eine Märchennacht, einen Tag der offenen Tür oder Führungen durch die Bibliothek. Aber auch die Beteiligung an Veranstaltungen anderer ist sinnvoll, etwa mit einem Stand an einem Dorffest. Berichte über die Bibliothek in elektronischen oder Printmedien machen die Bibliothek ebenfalls sichtbar. Je nach Medium können es selber verfasste sein, wenn man einen Platz dafür kriegt; toll ist es natürlich, wenn andere über einen berichten.
 
Und wie unterscheidet sich die Öffentlichkeitsarbeit vom Marketing?             
Denkt man bei der Öffentlichkeitsarbeit an eine breite Öffentlichkeit und nicht primär an die Personen, die die Bibliothek besuchen und nutzen, hat man beim Marketing immer bestimmte Zielgruppen im Blick: es geht um die direkten Angebote für bestimmte Nutzerkreise. Diese Nutzergruppen sind ja im Auftrag der Bibliothek meist ziemlich genau definiert. Konkret geht es dann beispielsweise darum, ob man jetzt eine neue Mediensorte einkauft, oder wann die Bibliothek für wen offen sein soll, wer zu welchen Bedingungen die Bibliothek nutzen kann, was ein Abo für wen kostet usw. usw. Auf eine Kurzformel gebracht definiert man mit Marketing also: Was bieten wir für wen wo und wann und wie teuer an? Das klingt relativ einfach, aber man kann beim Angebot viel falsch machen, sei es in der Auswahl oder Ausgestaltung der Dienstleistung oder den Bedingungen wie dem Preis…
 
Grossen Wert lege ich im Unterricht auch auf das Verständnis für die besonderen Aspekte von Dienstleistungen. Im Gegensatz zu einem Produkt, das man herstellt und dann fix und fertig verkauft, wird eine Dienstleistung ja immer wieder neu erbracht. Sie kann also im Prinzip noch so gut sein, wenn die Nutzerin, der Nutzer dann vor uns steht und wir z.B. bei der Medienauswahl beraten sollen und selbst zu wenig wissen oder gerade einen schlechten Tag haben, dann haben wir ein Problem. Also immer gut überlegen: Können wir die Dienstleistung, die wir anbieten wollen, auch in genügender Qualität anbieten? Haben wir genügend Zeit und das nötige Wissen dafür?
 
Und ganz wichtig: Marketing ist nicht einfach Werbung, das ist ein häufiges Missverständnis! Natürlich gehört das Bekanntmachen des Angebots auch dazu, das kommt aber erst am Schluss. Hier ist dann auch die Abgrenzung zur ÖA manchmal schwierig: Erscheint ein Bericht über die Bibliothek und ihr Angebot, ist das für eine breite Öffentlichkeit interessant, kann aber gleichzeitig auch konkrete Nutzer anwerben.
 
Bibliotheken sind ja in der Regel keine privaten Unternehmen, sie werden von der öffentlichen Hand finanziert. Sind denn Öffentlichkeitsarbeit und Marketing überhaupt nötig für sie?
Ja, auf jeden Fall! Wer nicht bekannt ist, dessen Leistungen werden nicht gewürdigt. Es gibt ein legendäres Zitat von einem ehemaligen Präsidenten des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Dieser hat einmal in einem Interview gesagt: „Bei Bibliotheken könnte man glaube ich noch viel sparen“. Er wusste anscheinend nicht genau, was sie tun, aber er war überzeugt, dass man sparen könnte…  Dieser Unkenntnis bei Entscheidungsträgern gilt es entgegenzuwirken mit ÖA. Und was Marketing anbelangt: Niemand hat genug Geld und Zeit, alles zu machen, was noch schön oder wünschenswert wäre. Marketingüberlegungen (also was für wen wo und wann und wie teuer anbieten?) helfen, das Angebot aus dem Auftrag der Institution gezielt abzuleiten und aufzubauen. Auch wenn manche Angebote vielleicht nichts oder nur wenig kosten, einen Preis haben sie trotzdem immer, nämlich für die Institution. Stecke ich die Ressourcen in ein Angebot, fehlen sie mir dann anderswo. Kurz: geht es in der Privatwirtschaft um Gewinnoptimierung, geht es bei unseren Institutionen um Nutzenoptimierung. Wir sollen und wollen mit den vorhandenen Mitteln möglichst grossen Nutzen für das Publikum zu schaffen.
 
Die SAB-Grundkurse werden hauptsächlich von Personen absolviert, die an kleinen und mittleren Bibliotheken tätig sind. Dort fehlt das Geld für teure Werbe- und Imageaktionen. Warum sind die beiden Fächer trotzdem Teil des Grundkurses?
Die Budgetfrage stellt sich natürlich immer wieder… Umso wichtiger ist, dass man weiss, was man tut und warum. Es führt heute kein Weg mehr daran vorbei, in einem gewissen Sinn unternehmerisch zu denken, auch – oder gerade – mit kleinem Budget.  Ich versuche deshalb, erstens, für überlegtes Handeln zu sensibilisieren, und rate ab von unreflektierten Nachahmaktionen vom Typ „Wir machen jetzt auch mal eine  Plakataktion“ oder „Werbung im Tram wäre doch auch eine gute Idee“. Da gibt man schnell unnötig Geld aus, ohne sich klar zu sein, ob das überhaupt wirksam ist. Zweitens rege ich immer dazu an, auch kostengünstige oder kostenlose Werbe- oder Informationsmittel zu suchen und zu nutzen. Ein Hinweis auf eine Veranstaltung in einem Gemeindeblatt beispielsweise oder das Beilegen von einem Flyer über die Bibliothek in einem Brief der Gemeinde an Neuzuzüger sind gute und günstige Informationswege. Letzteres ist eine der vielen Möglichkeiten von Kooperationen; man sollte wenn immer möglich sinnvoll mit andern zusammenarbeiten. Aber auch ein informelles Gespräch über das, was ich in einer Bibliothek tue, kann Öffentlichkeitsarbeit sein. Warum nicht im Bekanntenkreis erzählen, was eine Bibliothek eigentlich so alles bietet und leistet! Und wenn dies die Leiterin einer Gemeindebibliothek an einer Veranstaltung mit einflussreichen Personen und potenziellen Entscheidungsträgern tut, sind wir schon fast beim gezielten Lobbying. Das kostet nichts – „nur“ Zeit und Hartnäckigkeit und manchmal auch Geduld.
 
Wie ist das Interesse der Absolventinnen und Absolventen für die beiden Fächer?
Zu Beginn meiner Unterrichtstätigkeit muss ich manchmal Anfangshürden überwinden, weniger gegenüber der ÖA (sie gilt generell als „edler“) als gegenüber dem Marketing (wenn auf Werbung reduziert, gilt es als lästig). Im Lauf des Unterrichts gelingt es mir aber meist, ein breiteres Verständnis von Marketing zu vermitteln und damit dessen Nützlichkeit aufzuzeigen. Ausserdem merken die Teilnehmenden häufig auch, dass sie Vieles schon praktizieren, aber vielleicht nicht so benennen. Die Tatsache, dass immer wieder Absolventinnen bei der Abschlussarbeit Themen wählen, die im weitesten Sinn ins Gebiet ÖA und Marketing gehören, zeigt, dass Fragen wie Imageverbesserung oder Neupositionierung ihrer Bibliothek viele durchaus beschäftigen.
 
Worauf müssen Bibliotheken achten, die noch wenig Erfahrung haben mit Öffentlichkeitsarbeit und Marketing? Gibt es Dinge, die man vermeiden sollte, oder die sich (gerade auch für kleinere Bibliotheken) nicht lohnen?
Ja, es gibt tatsächlich ein paar Fallen! Die wichtigsten aus meiner Sicht:
  • Die Nachahmungsfalle: Man sieht eine Aktion einer andern Bibliothek, die einen überzeugt, die gefällt. Dann machen wir das doch auch! Bloss: Passt das zu uns, zu unserem Image?
  • Die Lustfalle: Es ist natürlich schön, wenn wir etwas gerne machen, aber das darf nicht das hauptsächliche Entscheidungskriterium für eine Aktion sein. Also: Ist es nötig?
  • Die Enthusiasmus- oder Euphoriefalle: In diese Falle tappt man meist anfangs Jahr bei der Planung. Es ist noch Geld und Energie da, also macht man im ersten halben Jahr viel – und in der zweiten Jahreshälfte ist man mangels Geld und Energie nicht mehr sichtbar. Dabei ist Kontinuität bei ÖA und Marketing äusserst wichtig, sonst gerät man schnell in Vergessenheit.
     
 
 
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