Warum erhält ausschliesslich Bibliomedia – und nicht auch andere Institutionen aus dem Bibliotheksbereich – Geld vom Bundesamt für Kultur (BAK) für den Aufbau eines ukrainischen Buchbestands?
Dazu Stéphanie Schneider, Bereichsverantwortliche beim BAK: Bibliomedia habe als einzige Organisation beim BAK für zusätzliche Mittel angefragt, erklärt sie. Zudem bestehe schon seit Langem eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem BAK und Bibliomedia. So konnte die Summe von 140'000 CHF im Rahmen der bestehenden Leistungsvereinbarungen zwischen dem BAK und Bibliomedia gesprochen werden. Da der Betrag Teil des Leseförderungskredits des BAK sei, musste der Bundesrat keine zusätzlichen Mittel bewilligen. Weiter sei Bibliomedia ein verlässlicher Partner, der die Bibliotheken in der ganzen Schweiz bediene. Das BAK habe keine Möglichkeit einzelne Bibliotheken finanziell direkt zu unterstützen.
Weiter stellt sich die Frage, warum das BAK laut Medienmitteilung die Gelder nur für den Aufbau eines ukrainischen Buchbestands zur Verfügung stellt, obwohl in der Ukraine verschiedene Sprachen gesprochen werden, insbesondere ein grosser Anteil an russischsprachigen Menschen in der Ukraine ihre Heimat haben.
Stéphanie Schneider erklärt dazu, dass das BAK ein Zeichen des guten Willens habe setzen wollen zur Unterstützung der geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz und auch als Zeichen der Solidarität gegenüber den anderen Bundesämtern, die sich bereits stark engagieren würden. Zudem habe Bibliomedia gezielt nach Unterstützung zum Aufbau eines Buchbestandes in ukrainischer Sprache nachgefragt.
Claudia Kovalik, Projektverantwortliche bei Bibliomedia, präzisiert dazu, dass gemäss dem Vertrag mit dem BAK bei entsprechender Nachfrage auch russische Bücher erworben werden dürfen. Bibliomedia Solothurn habe bereits einen kleinen Bestand an russischer Literatur, der bei entsprechender Nachfrage aufgestockt werde. Die Bibliotheken würden aber momentan fast ausschliesslich ukrainische Bücher verlangen.
Es stellt sich auch die Frage, warum Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, anders behandelt werden als Flüchtlinge aus anderen Ländern. Müssten nicht alle Flüchtlinge gleichbehandelt werden?
Dazu schreibt Ilena Spinedi, Co-Leiterin Interbiblio, im Newsletter n° 04/2022: «Es besteht die Gefahr, dass soziale Ungleichheiten zunehmen und sich Gruppen von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund mehr oder eben weniger willkommen fühlen. Damit wollen wir keineswegs die solidarische Hilfe und Unterstützung, die das ukrainische Volk bekommt, anprangern. Im Gegenteil: Menschen, die einen dramatischen Krieg erlebt haben, müssen auf eine menschenwürdige Art und Weise empfangen werden. Die kollektive Unterstützung ist für die Schaffung von gesellschaftlichem Zusammenhalt unerlässlich und sie darf nicht nur auf eine Gruppe von Menschen beschränkt werden, weil man sich mit dieser Gruppe mehr identifiziert als mit einer anderen oder weil, wie so oft von verschiedenen Seiten beteuert wurde, «sie so sind wie wir». (…) Ein Beispiel für einen gelungenen Empfang, ohne Unterscheidung der Herkunft, sind die interkulturellen Bibliotheken: Seit Jahren setzen sie sich für die Integration/Inklusion, die Partizipation und die Aufnahme aller in der Schweiz lebenden Menschen ein und unterscheiden dabei nicht zwischen den verschiedenen Gruppen.»
Dieses Anliegen teilt auch Bibliomedia. So hat Bibliomedia in der Vergangenheit, wenn es zu grösseren Flüchtlingsströmen in die Schweiz kam – z.B. als Folge des Balkankriegs – sogenannte «Willkommens-Projekte» auf die Beine gestellt.
Claudia Kovalik von Bibliomedia erinnert sich: «Während des Balkankriegs hat Bibliomedia Solothurn Literatur für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Serbokroatisch (heute aufgeteilt in Serbisch und Kroatisch) und Albanisch angeschafft. Den Bestand auf Arabisch für alle Altersstufen (Kinder /Jugend /Erwachsene) haben wir aufgebaut, da es damals ein grosses Interesse an arabischen Büchern gab. Die Ausleihstatistik bestätigt, dass der Bedarf nach diesen Sprachen (Albanisch, Arabisch, Kroatisch und Serbisch) immer noch besteht. Ab 2015 hat Bibliomedia Solothurn einen Bücherfonds mit Sprachlehrmitteln, Wörterbüchern, zwei- und mehrsprachigen Bilderbüchern und Literatur in den Sprachen Kurdisch sorani, Kurdisch kurmançi, Amharisch, Tigrinya, Paschtu, Persisch (Dari / Farsi) und Somali aufgebaut. Die ehemaligen „Willkommen“-Bestände wurden letztes Jahr in unseren normalen Bestand integriert.»
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