Beatrice Meyer war über 20 Jahre lang die Leiterin der Bödeli Bibliothek
(Foto: Bödeli Bibliothek Interlaken)
Wie bist du ursprünglich zur Arbeit in der Bibliothek gekommen? Was hat dich an diesem Beruf gereizt?
Beatrice Meyer: Meine Nachbarin, die frühere Leiterin der Bödeli Bibliothek, hat mir die Bibliothek und die Welt der Bücher nähergebracht. Bücher haben mir schon immer gefallen, das Abtauchen in andere Welten, Informationen und der Duft beim Öffnen eines neue Buches… Den Kontakt mit Menschen habe ich sehr gerne.
Was waren die grössten Meilensteine in deiner Karriere als Leiterin der Bödeli Bibliothek?
Zwei Mal eine Bibliothek zügeln und die Einführung der digitalen Bibliothek Bern.
Wie hat sich die Arbeit in Bibliotheken seit Beginn deiner Karriere verändert?
In der Bibliothek werden nicht mehr nur Bücher ausgeliehen, sondern die Nachfrage nach Non-Books wurde grösser. Durch den Zugang zum Internet (Wikipedia, Google etc.) gingen die Ausleihen, speziell von den Sachbüchern, zurück. Neu kamen wiederkehrende Veranstaltungen wie Buchstart, Lesenacht und Ferienpass. Lesungen mit bekannten oder lokalen Autoren gehörten in unser Jahresprogramm. Und natürlich wird mehr mit dem Computer gearbeitet.
Auf welches Projekt oder welche Initiative bist du besonders stolz?
Die Einführung von dibiBE, ein PC-Arbeitsplatz für die Kundinnen und Kunden sowie ein öffentliches WLAN waren wichtige Neuerungen. Besonders am Herzen lag mir zudem eine stets aktuelle Abteilung mit Reiseführern.
Wie hast du dich an die verschiedenen (z. B. technologischen) Veränderungen in den Bibliotheken angepasst?
Computer und Digitalisierung waren für mich persönlich eine neue Herausforderung, haben mich aber auch sehr interessiert. Das erforderte auch Weiterbildungskurse. Durch das Bibliotheksprogramm wurden Arbeiten wie das Katalogisieren, die Ausleihe und das Erstellen von Statistiken einfacher und effizienter. Die Suche nach und das Finden von bestimmten Büchern und Themen wurde vereinfacht. Wir Bibliothekarinnen und auch Besucher*innen konnten so selber auf den Katalog zugreifen einfacher zum Lieblingsbuch kommen. Die Audio- und Videokassetten wurden ersetzt durch CDs und DVDs. Später kamen Computerspiele und Tonies dazu.
Was war für dich in der Zusammenarbeit mit deinem Team besonders wichtig?
Für eine gute Zusammenarbeit war mir wichtig, dass persönliche Interessen und Fähigkeiten in der Bibliotheksarbeit gelebt werden konnten. So gibt es die grösstmögliche Leistung und wir hatten Freude am Arbeiten. Wir waren fast 20 Jahre das gleiche Team und hatten eine gute und schöne Zeit.
Hast du eine besondere Erinnerung an Begegnungen mit Nutzerinnen und Nutzern der Bibliothek?
Etwa ein halbes Jahr hatten wir einen Bibliotheksgast (kein Kunde) der fast täglich zu jeder Öffnungszeit die Bibliothek besuchte. Wir waren wahrscheinlich sein Wohnzimmer. Er kam, packte seine Trinkflasche aus, machte es sich auf unserem Sofa oder am Tisch gemütlich. Offensichtlich war sein ganzes Hab und Gut in seinem Rucksack. Er fand, dass ein Rasierspiegel im WC eigentlich für ihn praktisch wäre. Dann suchte er sich was Interessantes zu Lesen, fragte uns nach bestimmen Büchern oder suchte das Gespräch. Tönt alles ganz toll, doch sein Körpergeruch war eine echte Herausforderung. Es gab Tage, da wollten unsere Schüler*innen die Medien in seiner Nähe nicht mehr versorgen. Eine andere grosse Herausforderung war das Handling mit den Kund*innen während der Corona Pandemie Bestimmungen. Ansonsten hatten wir zweimal eine Koreanische Reisegruppe zu Besuch, welche sehr interessiert unsere Bibliothek auskundschaftete. Das war ein tolles Erlebnis!
Welche Rolle sollten deiner Meinung nach Bibliotheken in der Gesellschaft der Zukunft spielen?
Ich denke, dass das physische Buch weiter ein wichtiges Medium bleibt. Bibliotheken spielen eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft. Für Kommunikation und ein friedliches Miteinander ist es wichtig, dass sich Menschen mit Worten ausdrücken können. Das geht nur mit einer guten Lesekompetenz. Vielleicht auch als dritter Ort, einen Ort wo man die Stille sucht, einen Ort ohne digitale Medien. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich meiner Enkelin und meinem Enkel ein Bilderbuch oder eine Geschichte von einem Tablett vorlesen möchte.
Hast du einen Rat für die nächste Generation von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren?
Neben einem attraktiven dritten Ort zum Verweilen und sich Treffen, sollte das Buch und ein guter Kontakt zur Kundschaft mit gegenseitiger Achtsamkeit gepflegt werden.
Das Interview wurde schriftlich geführt.