Mädchenbücher – Jungenbücher

12.10.2020 | Bestand | Kinder- und Jugendmedien| Medienpräsentation| Zielpublikum Kinder und Jugendliche

Eine Studie zeigt: Ohne entsprechende Kennzeichnung wird anders ausgeliehen.

Viele Bibliotheken führen bei den Kinder- und Jugendmedien neben den thematischen Kategorien, wie z.B. «Abenteuer», auch die Kategorien «Mädchen-» und «Jungenbücher», oft in der Absicht den beiden Geschlechtern Lektüren zu präsentieren, die ihren Interessen entsprechen. Aber macht das überhaupt Sinn? Nein, meint Milena Eberhard aus der Bibliothek Uster, die dieses Thema im Rahmen ihrer Masterarbeit untersucht hat. 
 
Um das Ausleihverhalten zu erforschen, wurden in der Bibliothek Uster 95 «Mädchen-» und «Jungenbücher» neu angeschafft und ohne die entsprechenden Kennzeichnungen ausserhalb der Abteilungen „Mädchenbücher“ und „Jungenbücher“ aufgestellt. Während acht Monaten wurden die Ausleihzahlen der Bücher erfasst und anschliessend ausgewertet.
 
Eindeutige Ergebnisse
Der Vergleich der Ausleihzahlen ergab folgendes: Während mit «Mädchen-» oder «Jungenbuch» etikettierte Bücher nur in 2% der Fälle vom andern Geschlecht ausgeliehen wurden, entschieden sich Kinder und Jugendliche unter den neuen Voraussetzungen 20 Prozent mehr für ein «geschlechtsuntypisches» Buch. Das zeigt, dass Benutzende sich auch für vermeintlich unpassende Bücher interessieren, sofern diese nicht den Geschlechterstempel tragen. Ausserdem wies der Zahlentrend darauf hin, dass der Effekt markanter gewesen wäre, wenn das Experiment länger gedauert hätte und die Anzahl neuer Bücher grösser gewesen wäre.

Aufgrund der gewonnenen Erkenntnis beschloss die Bibliothek Uster, die Kategorien «Mädchen» und «Jungen» abzuschaffen und die betroffenen Bücher den verschiedenen Themengebieten zuzuordnen.
 
Eine weitere Problematik von «Mädchen-» und «Jungenbüchern»
Einen wichtigen Teil ihrer Erfahrungen machen junge Lesende mittels Bücher. Je mehr Diversität sie dort begegnen, desto vielseitiger und differenzierter kann auch ihre Weltanschauung werden. Eine öffentliche Institution sollte keine veralteten Rollenbilder reproduzieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Verlage, Buchhandlungen und Bibliotheken die Kundschaft beeinflussen, wenn sie gewisse Bücher als typisch weiblich oder typisch männlich kategorisieren.
 
Milena Eberhard, Bibliothek Uster

(Quelle: Books for boys only! Erschienen im Newsletter 09/2020 der Fachstelle Bibliotheken des Kantons ZH)
   
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