Medientempel, Treffpunkt und Lernzentrum

23.02.2015 | Von Anne-Lise Hilty | Benutzung | Raum und Infrastruktur | Bibliotheken in anderen Kantonen

Die GGG Stadtbibliothek Basel reagiert auf veränderte Kundenbedürfnisse.

Von Anne-Lise Hilty
Anne-Lise Hilty ist verantwortlich für Kommunikation und Fundraising in der GGG Stadtbibliothek Basel. Nach dem Studium in Geschichte und Englisch war sie zuerst in der Informatik tätig, bevor sie sich dem Journalismus zuwandte. Vor dem Wechsel in die Bibliothek war sie zehn Jahre lang Chefredaktorin der VCS-Zeitung. In dieser Zeit erwarb sie berufsbegleitend das eidgenössische Diplom als PR-Beraterin.
Öffentliche Bibliotheken sollen allen Bevölkerungsschichten Wissen und Information kostengünstig zur Verfügung stellen. Diese Grundaufgabe bleibt auch im Zeitalter von Internet und Social Media bestehen. Um sie erfüllen zu können, müssen Bibliotheken jedoch umdenken und sich quasi neu erfinden. Sie können nicht mehr einfach Medien aufreihen und ausleihen, sondern sie müssen viel mehr vermitteln, schulen, beraten, animieren und fördern, das heisst, sie müssen Platz und Personal zur Verfügung stellen.
 
Die neuen Ansprüche verändern die Bibliotheken radikal und umfassend: von der Einrichtung bis zum Angebot, vom Personal bis zum Erscheinungsbild. Bis auf den heutigen Tag werden Bibliotheken am liebsten mit einem Regal voller abgegriffener Bücher veranschaulicht. Solche Bilder sind tief im kollektiven Gedächtnis verhaftet – und zwar längst nicht nur bei bibliotheksfernen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen. Die vollgestopften Regale verstellen im wahrsten Sinne des Wortes den Blick auf die nötigen Neuerungen innerhalb der Bibliotheken ebenso wie ausserhalb.
 
Vom Abhollager zur öffentlichen „Stube“
Früher holten die Kundinnen und Kunden, die damals noch Benutzerinnen und Benutzer hiessen, Bücher und allenfalls Zeitschriften – elektronische Medien folgten später – an der Theke in der Bibliothek ab, um sie nach Hause zu tragen und später wieder zurückzubringen. Sie mussten nicht wissen, wo in der Bibliothek die Lektüre zu finden war, da sie vom Personal ausgehändigt wurde. Das änderte sich erst mit dem Aufkommen der Freihandbibliothek, in der die Kundschaft die gewünschten Medien selber zusammensucht. Um es ihr einfacher zu machen, wurde die Systematik eingeführt, welche die fortlaufende Nummerierung ersetzte. Und heute will die Kundschaft nicht mehr nur suchen, stöbern und schmökern, sie hält sich auch immer mehr in der Bibliothek auf, um hier zu arbeiten und sich zu unterhalten. Die Bibliotheken sind zum sogenannt dritten Ort mutiert, dem Ort zwischen Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsplatz und Zuhause, einem halböffentlichen Raum, der Alleinsein und Geselligkeit gleichzeitig bietet, eine öffentliche „Stube“ sozusagen.
 
Zu enges Korsett
Diese Entwicklung führte dazu, dass das Korsett der Hauptbibliothek der GGG Stadtbibliothek, die letztmals in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts umfassend renoviert worden war, immer enger wurde. Nachdem sich die Zahl der Kundschaft innerhalb dreier Jahrzehnte praktisch verdreifacht und sich jene der Medien verdoppelt hatte, kamen die Besucherinnen und Besucher zwischen den Regalen kaum mehr aneinander vorbei. Plätze, um in Ruhe zu arbeiten und zu lesen, waren entweder belegt oder unattraktiv.
 
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Nach der Renovation 1976 galt die Biblio-
thek Schmiedenhof in Basel als eine der
modernsten in der Schweiz.
 37 Jahre später fehlt überall Platz, um zu
schmökern, zu arbeiten und sich zu
unterhalten.

Ein Ausbau wurde zwingend nötig – kein einfaches Unterfangen im Zentrum des Stadtkantons. Die lange Suche und Planung hatte aber den Vorteil, dass sich die Leitung und die Trägerin der Bibliothek tiefgreifend mit den Herausforderungen, die sich heute an solche Institutionen stellen, auseinandersetzen konnten und mussten.
 
Neue Räume, neues Angebot, neues Gewand
Mit der baulichen Erweiterung allein war es nicht getan. Schon bald wurde klar, dass die Verdoppelung der Fläche nicht zu einer Verdoppelung der Anzahl Medien führen durfte. Damit sich Menschen wohl fühlen, müssen sie ihre Bedürfnisse schnell und umfassend erfüllen können. Dazu braucht es in Bibliotheken Platz, Übersicht, einfache Orientierung und professionellen Service.
 
Die Kundschaft soll ungestört lesen und arbeiten oder sich bei einem Kaffee mit Freunden unterhalten können. Sie will schnell den neusten Bestseller ausleihen oder in Ruhe verweilen, stöbern und schmökern. Fragen möchte sie sofort und kompetent beantwortet haben, ohne dafür lange Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen. Die Stadtbibliothek hat ein Konzept entwickelt, das all diesen unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer Besucherinnen und Besucher gerecht wird, kundenorientiert und aktuell.
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Medien aufreihen und ausleihen allein ist nicht genug. Bibliothek müssen heute viel mehr vermitteln, schulen, beraten, animieren und fördern.
 
In der Eingangszone im Erdgeschoss befindet sich die lebhafte Pronto- und Bestsellerbibliothek mit aktuellen Medien für die eilige Kundschaft und einem entsprechend schnellen Service. Das Konzept auf dieser Etage mit den beliebtesten Medien aus allen Bereichen orientiert sich am Detailhandel, wo Pronto-Shops keine riesige Auswahl, aber das Nötigste für den Alltag bereitstellen. Die zurückgebrachten Medien werden hier auf einem Laufband präsentiert wie auf einer Sushi-Bar, damit Neugierige gleich sehen können, was andere ausgeliehen haben. Und zu aktuellen Themen – von lokalen Ausstellungen bis zu weltpolitischen Ereignissen – sollen hier umgehend Medien präsentiert werden. Dank der engen Verbindung zum Café 1777, das von einem erfahrenen Kultur- und Gasthausinhaber betrieben wird, kann komplementär zum geistigen auch fürs leibliche Wohl der Kundschaft gesorgt werden.
 
Über die insgesamt fünf Stöcke wird es von unten nach oben allmählich ruhiger. Kein Sachgebiet ist über mehrere Stockwerke verteilt. Nur im Erdgeschoss dürfen aktuelle Medien aus allen Bereichen präsentiert werden. Kinder und Jugendliche erhalten je einen eigenen Raum mit altersgerechten Angeboten vom Kuschelpool bis zur Multimediastation. Überall gibt es Areale zum Verweilen und Raum für Veranstaltungen, sodass sich die verschiedenen Alters- und Nutzergruppen nicht gegenseitig stören. Der Bestand soll dabei für alle immer attraktiv sein. Das heisst, die Gestelle sind weder überfüllt noch leer. Um das zu gewährleisten, braucht es einen Puffer, ein Magazin, das den Überschuss aufnehmen und gleichzeitig Medien bereitstellen kann, wenn viele ausgeliehen sind.
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Durchdachte Signaletik bietet Orientierung, niedrige Gestelle verschaffen Übersicht.
 
Die attraktive Bestandespräsentation gehört ebenso zum Erscheinungsbild – auf das die Stadtbibliothek grossen Wert legt – wie eine einheitliche Signaletik und gute Orientierungshilfen. Ein konsequent verwendeter Farbcode hilft bei der Suche nach dem richtigen Stockwerk und dem gewünschten Sachbereich. Mindestens zwei grosse Bildschirme auf jeder Etage weisen auf bevorstehende Veranstaltungen und Neuerscheinungen hin sowie auf Angebote nahestehender Organisationen.

Information und Beratung werden immer wichtiger, das gesamte Erscheinungsbild spielt eine viel grössere Rolle als bisher. Das Personal ist aufmerksam und hilfsbereit, aber nicht aufdringlich, und ist leicht erkennbar. Um mehr Zeit für Beratung zu haben, wird es von Routinetätigkeiten wie der Rücknahme von Medien entlastet. Diese erfolgt nun automatisch.
 
Neue Kultur erfordert klare Verantwortung
Die neue Kultur, die in der Bibliothek Einzug halten soll, erfordert Schulung und eine klare Verantwortungsregelung. Die Stadtbibliothek ernennt neu Rayonverantwortliche, die für die Einhaltung des festgelegten Erscheinungsbildes und der Qualitätsstandards auf ihren Stockwerken zuständig sind. Im Zentrum stehen dabei immer die Kundschaft und ihre Bedürfnisse. Die Verantwortlichen stellen sicher, dass die Besucherinnen und Besucher freundlich und kompetent empfangen werden, dass zu jeder Zeit genügend Medien verfügbar sind, dass die Bibliotheksfläche attraktiv ist – und bleibt – und die Dienstleistungen gewährleistet sind. Zu den Qualitätsstandards, die regelmässig zu prüfen sind, gehören Sauberkeit ebenso wie ein guter Informationsdienst und funktionierende Geräte wie Kopierer und PCs.
 
Die Rayonverantwortlichen führen die Teammitglieder – von Hilfskräften bis zu Studienabgängern – in ihrem Bereich, teilen ihnen die Arbeit zu und sorgen dafür, dass ihre Mitarbeitenden über die Angebote im Rayon informiert sind. Wenn die Informationsdienste den Qualitätsanforderungen nicht entsprechen, ordnen sie ergänzende Schulung an oder empfehlen der Bibliotheksleitung Schulungsinhalte. Sie erarbeiten ein kundenorientiertes Dienstleistungs- und Beratungskonzept und schlagen der Redaktion Inhalte für die Informationsbildschirme auf ihrem Stockwerk vor. Sie sind – mit Unterstützung der Sachgebietsverantwortlichen – zuständig für die Bestandespflege innerhalb ihres Bereichs nach den Budgetvorgaben der Gesamtleitung sowie für die kundenorientierte Präsentation und Zusammenstellung der Medien in zentralen Nahbereichen. Die Koordination mit andern Rayons sowie Einführungen für Personal und Kundschaft gehören ebenfalls zu ihren Aufgaben.
 
Mit der Erkennbarkeit tut sich das Personal indes schwer, mindestens wenn die Kleiderwahl davon betroffen sein soll. Was im Detailhandel und im Gastrogewerbe selbstverständlich ist, nämlich dass das Personal sofort an der Kleidung erkannt wird und die Kundschaft somit immer weiss, an wen sie sich wenden kann, ist in Bibliotheken schwierig einzuführen. Bisher war es ja auch nicht nötig. Wer hinter der Theke sass, gehörte klar zum Personal. Neu werden die Angestellten – befreit von vielen Routinetätigkeiten – weit weniger häufig hinter einer Theke anzutreffen sein. Sie werden zirkulieren und Fragenden mit Rat und Tat zur Seite stehen. Woran sind die Mitarbeitenden dann noch zu erkennen? Ein Namensschild hilft sicherlich und zudem schätzt es die Kundschaft, wenn sie weiss, mit wem sie es zu tun hat. Aber leider sind Namensschilder von hinten oder der Seite nicht sichtbar. Fürs Personal ist die Bibliothek eben nicht der dritte, sondern der zweite Ort, nämlich der Arbeitsplatz. Die Stadtbibliothek Basel hat auch noch keine Lösung, die sowohl den betrieblichen Anforderungen als auch den Wünschen der Belegschaft gerecht wird. Sie sucht sie im Gespräch mit den Mitarbeitenden.
 
Hilty, Anne-Lise,
Kommunikationsverantwortliche der GGG Stadtbibliothek Basel
 
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