Bibliotheksverbund als Marketing-Massnahme

05.10.2023 | Von Markus Jost | Aus den Bibliotheken | Katalogverbund| Zusammenarbeit

Die Grundlage eines Bibliotheksverbundes ist in der Regel ein gemeinsamer Katalog oder eine gemeinsame Suchoberfläche. Die Bibliothekssoftware-Anbieter sind somit wichtige Akteure bei der Realisierung eines Bibliotheksverbunds.

Es gibt viele Gründe, die für die Einrichtung eines Bibliotheksverbunds sprechen. So können die Bibliotheken von der Übernahme von Katalogdaten anderer Bibliotheken profitieren und somit Arbeitszeit einsparen. Zudem ermöglicht ein Verbundkatalog, den eigenen Medienbestand einem grösseren Publikum bekannt zu machen. Für Bibliotheksnutzer und –nutzerinnen hat ein Bibliotheksverbund den Vorteil, dass gleichzeitig in mehreren Bibliotheken recherchiert werden kann und dadurch sich das Medienangebot vergrössert. Wenn der Verbund ausgebaut ist, können die Kunden und Kundinnen mit derselben Bibliothekskarte bei unterschiedlichen Bibliotheken Medien online reservieren, ausleihen und zurückgeben.
 
Die meisten wissenschaftlichen Bibliotheken und Spezialbibliotheken in der Schweiz haben sich 2020 zum Swiss Library Service Platform (SLSP) Verbund zusammengeschlossen. Bei den öffentlichen Bibliotheken in der Deutschschweiz gibt es keinen vergleichbaren nationalen Bibliotheksverbund. Einige erinnern sich vielleicht an den Schweizer Virtuellen Katalog (CHVK) mit welchem auch in zahlreichen öffentlichen Bibliotheken recherchiert werden konnte. Wegen fehlender Bereitschaft der öffentlichen Bibliotheken zur Mitarbeit wurde der Betrieb des CHVK Ende 2017 eingestellt.

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Der RBNJ Verbund ist einer der drei RERO+ Verbünde, bei welchem auch eine Bibliothek aus dem Kanton Bern, die Médiathèque des CIP in Tramelan, angeschlossen ist.
 
In der Westschweiz gibt es mehrere kantonale und interkantonale Verbünde, wo sich öffentliche Bibliotheken anschliessen können: So haben sich über 60 Bibliotheken aus fünf Kantonen einem der drei RERO+ Verbundkataloge (RERO ILS) angeschlossen. Der Kanton Waadt bietet seinen öffentlichen Bibliotheken die Möglichkeit, sich dem Renouvaud Katalog «Ecoles et lecture publique» anzuschliessen. Im Kanton Wallis können die Bestände der meisten öffentlichen Bibliotheken in den Katalogen der fünf Regionalverbünde und im Walliser Gesamtkatalog recherchiert werden. Und der Kanton Tessin hat im «Sistema bibliotecario ticinese» über 70 Bibliotheken zusammengeschlossen.
 
Die meisten öffentlichen Bibliotheken arbeiten aber in keinem Verbund. Sie orientieren sich in erster Linie an der lokalen Kundschaft, die die Bibliothek vor Ort besucht. Sie sehen wenig Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Bibliotheken. Zudem haben viele kleinere Bibliotheken – im Kanton Bern sind es mehr als die Hälfte – Bibliothekssoftwares, mit welchen eine Anbindung an einen Bibliotheksverbund nicht möglich ist.
 
Trotzdem wagen es immer wieder Bibliotheken, mit anderen Bibliotheken zusammenzuarbeiten und einen lokalen oder regionalen Bibliotheksverbund zu bilden. Meistens geht die Initiative dazu von einer oder mehreren Bibliotheken aus. Es gibt aber auch Bibliothekssoftware-Unternehmen, die ihre Bibliothekskunden dazu ermuntern, einen Verbund zu kreieren.
 
So unterstützt Predata AG in Thun zahlreiche Bibliotheksverbünde. Thomas Glanz von der Geschäftsleitung der Predata erklärt: «Die Verbünde wurden als Marketing-Massnahme durch Predata nach Rücksprache mit den Kommissionen bzw. den grösseren Bibliotheken initiiert. Anfänglich ging es darum, voneinander Katalogdaten zu kopieren und somit Zeit und Ressourcen einzusparen.» Und er ergänzt, dass bei solchen reinen Predata-Verbünden für die Bibliotheken keine Mehrkosten entstehen würden. Organisation und Unterhalt werde von Predata übernommen. Mittlerweile betreibt Predata 10 Bibliotheksverbünde in der Schweiz. Die meisten dieser Verbünde bieten ausschliesslich eine gemeinsame Katalogoberfläche und die Möglichkeit der Katalogdatenübernahme an.
 
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Beim Predata-Verbundkatalog des Kantons Zürich nehmen 94 öffentliche Bibliotheken teil. Er wurde in Zusammenarbeit mit der Kantonalen Bibliothekskomission Zürich erstellt. 

 
 
Roman Sallin, Software-Ingenieur FH und Gründer des Bibliothekssoftware-Anbieters AlCoda GmbH in Bern erklärt, dass bei ihnen die Bibliotheksverbünde immer auf Initiative der Bibliotheken zustande kommen würden. Teilweise sei auch der Kanton involviert. Sein Unternehmen bietet verschiedene Möglichkeiten an: Verbünde bei denen alle Teilnehmer mit der Alcoda Software NetBiblio ausgestattet sind. In diesem Fall seien diverse Dienstleistungen wie Ausleihe, Reservation, Kurier (Ausleihe und Rückgabe bei unterschiedlichen Bibliotheken) und Bezahlen der Gebühren via WebOPAC an verschiedenen Standorten möglich. Oder dann bietet Alcoda Verbundarchitekturen, wo Bibliotheken mit unterschiedlichen Bibliothekssoftwares am selben Bibliotheksverbund teilnehmen können. Als Beispiel nennt er die Walliser Verbundkataloge. Dort seien naturgemäss weniger Dienstleistungen möglich, da es für die Ausleihe keine Standardschnittstellen gäbe. Zu den Kosten sagt er: «Die Lizenzkosten werden in der Regel von den Verbundteilnehmern anhand eines Verteilschlüssels übernommen. Beim Eintritt in einen bestehenden Verbund fallen in der Regel Migrationskosten an. Die Supportkosten werden meistens von den einzelnen Teilnehmern übernommen.» Als Beispiel dazu nennt er die Integration der Bibliothek Beatenberg in den Bibliotheksverbund Oberland-Ost. Dort fielen einmalige Integrationskosten im Umfang eines mittleren, vierstelligen Betrags und jährliche Kosten für Lizenz und Hosting in der Grössenordnung eines mittleren, dreistelligen Betrags an.

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Der NetBiblio-Bibliotheksverbund Oberland-Ost im Berner Oberland besteht aus 5 Bibliotheken.
 
Die Vorteile von Bibliotheksverbünden sind unbestritten, auch gibt es heute deutlich mehr technische Möglichkeiten, um die Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken zu erleichtern. Nun gilt es, die Chancen zu nutzen.

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