Die Bibliotheken des Kantons Jura

05.10.2023 | Von Géraldine Rérat-Oeuvray | Aus den Bibliotheken | Bibliobus| Katalogverbund| Zusammenarbeit

Im nördlichen Nachbarkanton Jura setzt sich die Kantonsbibliothek seit 1988 für den Aufbau eines jurassischen Verbundkatalogs ein, zuerst BASIS, nach 2003 RERO und seit 2021 RERO+.

Von Géraldine Rérat-Oeuvray
Nach ihrer Matura am Lycée cantonal in Porrentruy absolvierte Géraldine Rérat-Oeuvray eine Ausbildung zur Bibliothekarin. Sie erwarb ein Diplom als Bibliothekarin BBS, das sie später durch ein Zertifikat in Dokumentations- und Bibliotheksmanagement an der Universität Freiburg ergänzte. Sie arbeitete als Bibliothekarin in der Bibliothek des Romanischen Seminars an der Universität Basel und anschliessend in der Jurassischen Kantonsbibliothek in Porrentruy. Im Jahr 2008 wurde sie zur Direktorin dieser Institution ernannt. Sie engagiert sich in der Welt der Bücher und der Leseförderung und ist Mitglied mehrerer einschlägigen Vereinigungen.
Der Kanton Jura ist seit mehreren Jahrzehnten gut mit Bibliotheken versorgt. Obwohl es seit den 1950er-Jahren öffentliche Bibliotheken gab, kam in den 1970er-Jahre zusätzlich Schwung in die Bibliothekslandschaft. 1971 beauftragte die jurassische Kommission für Schul- und Volksbibliotheken den Studenten Claude Stadelmann mit einer Untersuchung über die Situation der Bibliotheken im Jura und im Berner Jura. Dieser Bericht zeigte auf, dass es einen Mangel an qualifiziertem Personal gibt, die Buchbestände in schlechtem Zustand sind, ungenügende Öffnungszeiten sowie schlechte Räumlichkeiten vorhanden sind. Die jurassische Kommission für Schul- und Volksbibliotheken erarbeitet daraufhin eine Reihe von Empfehlungen, um die Situation zu verbessern.

1982 machte Chantal Calpe an der Generalversammlung der Vereinigung der Schweizer Bibliothekare in Delémont[1] in ihrem Vortrag  eine Bestandsaufnahme der Situation und freute sich über den Aufschwung der öffentlichen Bibliotheken im Kanton Jura.
 
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Die Jurassische Kantonsbibliothek befindet sich seit ihrer Gründung 1982 im Hôtel des Halles in Porrentruy. (Foto: République et Canton du Jura / Jura Tourisme)


Im selben Jahr, als Folge der Gründung des Kantons Jura am 1. Januar 1979, wurde die Bibliothèque cantonale jurassienne (BiCJ) gegründet. Sie hatte von nun an zwei Aufgaben: Sie ist der Ort, an dem das kulturelle Erbe des Jura gesammelt und zur Geltung gebracht wird, und sie ist eine Studien- und Bildungsbibliothek.

Am 1. Januar 1988 trat die «Ordonnance concernant les bibliothèques et la promotion de la lecture publique» (Verordnung über die Bibliotheken und Leseförderung)[2], nachfolgend die Verordnung genannt, in Kraft. Die Verordnung ist auf die Schaffung eines Bibliothekverbunds im Kanton ausgerichtet. Sie erwähnt, dass die Kantonsbibliothek die jurassische Bibliothekskommission präsidiert. Ziel dieser Kommission ist unter anderem, die bestehenden Bibliotheken zu verbessern und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen zu verstärken.[3]

 
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Die Mediathek des Lycée cantonal in Porrentruy kam 2003 als eine der ersten Bibliotheken zum RERO-Bibliotheksverbund der Neuenburger und Jurassischen Bibliotheken (RBNJ). (Foto: Médiathèque du Lycée cantonal)

Zu Beginn des Jahres 1988 startete die BiCJ ein Projekt zum Aufbau des Informatiknetzes BASIS für die Bibliotheken der kantonalen Institutionen. Dies war der Beginn des jurassischen Bibliotheksverbunds. Zu diesem Zeitpunkt führten die Bibliotheken bereits eigene Informatiksysteme ein, welche ihren Besonderheiten entsprachen. Sehr bald wurden jedoch gemeinsame Überlegungen angestellt und man versuchte, die Bibliothekssysteme zu harmonisieren. Die Idee, sich einem grösseren Verbund wie RERO anzuschliessen, wurde ab Anfang der 1990er Jahre geprüft. RERO wurde 1985 aus dem Kooperationswillen mehrerer grosser Westschweizer Bibliotheken gegründet und war zu diesem Zeitpunkt der grösste Bibliotheksverbund der Westschweiz.

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Die Mediathek des Collège de Delémont kam 2012 zum RERO-RBNJ Verbund. (Foto: Collège de Delémont) 

Die hohen Kosten waren aber ein Hemmschuh für die Realisierung dieses Projekts. Die Entwicklung neuer Technologien ermöglichte es jedoch, den «Catalogue collectif virtuel des bibliothèques jurassiennes» (Virtuellen Gesamtkatalog der jurassischen Bibliotheken) im Jahr 2001 einzurichten. Dies war ein grosser Schritt, der zur Verbesserung des Kundendiensts vollzogen wurde. Für die Bibliothekare war es eine Gelegenheit, die Frage der Mitgliedschaft in einem grösseren Verbund neu zu diskutieren, und ein zusätzliches Argument, mit dem sie die Behörden von der Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Bibliotheken überzeugen konnten.

So kam es, dass der Kanton Jura 2003 dem «Réseau romand des bibliothèques occidentales» (RERO) beitrat, indem er sich dem kantonalen Verbund der Neuenburger Bibliotheken anschloss, der zum «Réseau des bibliothèques neuchâteloises et jurassiennes» (RBNJ) wurde. Betroffen waren alle Bibliotheken der kantonalen Institutionen, d.h. die Kantonsbibliothek, die Bibliothek der Kantonsgerichte, die Mediathek des Lycée cantonal, die Mediathek der Ecole de culture générale und der Ecole des métiers de la santé et du social sowie die Mediathek der École de commerce und die Bibliotheken der staatlichen Dienststellen. Ihnen folgten die Bibliothek des Archivs des ehemaligen Bistums Basel (2005), die Bibliothek der Fondation rurale interjurassienne (2009), die Bibliothèque municipale de Delémont (2010), die Mediathek des Collège de Delémont (2012) und die Bibliothek des Collège Saint-Charles (2014).

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Die Bibliothek des Collège Saint-Charles in Porrentruy kam 2014 zum RERO-RBNJ Verbund. (Foto: Collège Saint-Charles) 

Im Jahr 2021 wurde der RERO-Verbund aufgelöst. Im Zuge dieser Veränderung entstanden neue Bibliotheksverbünde. Der Kanton Waadt, der RERO bereits 2016 verlassen hatte, entschied sich für die Schaffung des eigenen kantonalen Bibliotheksverbunds  RenouVaud. Die Universitäts- und Hochschulbibliotheken haben sich um den Bibliotheksverbund SLSP gruppiert, und die öffentlichen Bibliotheken und die Spezialbibliotheken sind der Stiftung RERO+ beigetreten. Dazu gehören auch die jurassischen Bibliotheken. Für den Kanton Jura kam es nicht in Frage, ein seit fast 20 Jahren bestehender Bibliotheksverbund aufzulösen. Obwohl zwei grosse öffentliche Bibliotheken nicht dazu gehören, war es immer der Wille, ein kantonaler Bibliotheksverbund zu haben, dessen Koordination von der jurassischen Kantonsbibliothek übernommen wird. Zudem hat sich das Interesse am Bibliotheksverbund 2022 mit dem Beitritt der Gemeinde- und Schulbibliothek von Le Noirmont erweitert. In den kommenden Jahren werden weitere Schulbibliotheken dem Verbund beitreten.

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Im Jahre 2022 trat die Gemeinde- und Schulbibliothek von Le Noirmont dem Bibliotheksverbund RERO+ RBNJ bei, im Herbst 2023 wird die Bibliothek von Courrendlin folgen. (Foto: Commune du Noirmont)


Derzeit ist also die Mehrheit der jurassischen Bibliotheken demselben Bibliotheksverbund angeschlossen sie und benützen die gleiche Software RERO ILS. Sie teilen sich unter anderem den Katalog, die Leserkartei, die elektronischen Ressourcen sowie den Koordinationsdienst auf technischer und bibliothekarischer Ebene. Für die Bibliothekarinnen und Bibliothekaren bedeutet dies eine Zeit- und Kostenersparnis. Für die Kundschaft ist es ein wirklicher Vorteil, Zugang zu Ressourcen von fast 60 Bibliotheken zu haben. In den Kantonen Jura und Neuenburg wurde ein Kurierdienst eingerichtet, der die Dokumente zwischen den RBNJ-Bibliotheken für die Nutzerinnen und Nutzer kostenlos transportiert. 

Die Finanzierung der Bibliotheken wird von der jeweiligen Trägerschaft übernommen. Im Kanton Jura sind die Finanzierungsquellen vielfältig. Der Kanton finanziert die Bibliotheken der kantonalen Institutionen. Die Gemeinden oder Gemeindeverbände finanzieren die Gemeinde- und die Schulbibliotheken. Die Stiftungen finanzieren die Bibliotheken, die sie betreffen. Zudem unterstützt der Kanton Schulbibliotheken.

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Der Bibliobus ist die mobile Bibliothek des Jura. Er bedient 105 Ortschaften im Kanton Jura und im Berner Jura, im Bild das Dorf Soubey (JU) am Doubs. (Foto: Bibliobus)  

Die Bibliotheken im Jura haben sich in den letzten 50 Jahren gut entwickelt. Dank des Bibliobus kann die Bevölkerung eine Bibliothek in weniger als 15 Minuten Entfernung von ihrem Wohnort erreichen.

Bibliothèque cantonale jurassienne​ >
Réseau des bibliothèques neuchâteloises et jurassiennes (RERO+) >
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[1] Bibliothèques et lecture publique dans le canton du Jura / par Chantal Calpe. Porrentruy, Office du patrimoine historique, 1982.
[2] RSJU 441.221 https://rsju.jura.ch/
[3] RSJU 441.221 Art. 7, al. 1.
 

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