„Wo liegt Fragen?“, las ich kürzlich in einem Inhaltsverzeichnis. Dies interessierte mich natürlich, denn Fragen sind das A und O im Umgang mit Information. Fragen sind sozusagen des Pudels Kern der Informationskompetenz. Selbst wenn man Hund oder Pudel im Speziellen nicht mögen sollte, um den Kern kommt man bei der Informationskompetenz (abgekürzt IK) nicht herum, nämlich Fragen zu stellen. [1]
Wo also liegt „Fragen“, frage ich Sie als Lesende dieser Zeilen. Für eine zeitgenössische Bibliothekarin / Mediothekarin (die männliche Form ist mitgemeint) dürfte die Antwort auf der Hand liegen: im Internet. Und tatsächlich, mit den treffenden Suchworten, einer angemessen Suchmaschine sowie ein, zwei Klicks kommt man dank World Wide Web der Antwort ein grosses Stück näher (Abb. 1). Denn im Dokument aus der Online-Version von profi-L erklärt uns der Autor Werner Jundt den Sachverhalt im Kontext.
Abb. 1: Internet-Recherche zu „Fragen“
Doch bitte schön, was hat dies mit Informationskompetenz zu tun? Auf den Webseiten von
www.schulmediothek.de [2], dem Fachportal für Schulbibliotheken, lesen wir: „
Informationskompetenz (engl. Information Literacy) beinhaltet die Fähigkeit, Informationsbedarf zu erkennen, Informationen zu ermitteln und zu beschaffen sowie zu bewerten und effektiv zu nutzen“ (siehe auch Abb.2).
Noch Fragen? Der Situationszusammenhang und damit der jeweilige Informationsbedarf entscheiden, ob Daten und Zeichen für uns zu Information werden. Wenn Sie nicht nach Fragen wollen, ist es Ihnen ziemlich gleichgültig, dass der Bus dorthin um 11.55 Uhr vom Hauptplatz losfährt. Wenn hingegen eine Gymnasiastin erst fünf vor Zwölf mit ihrer Maturaarbeit beginnt und noch ein paar relevante Informationen zum Thema benötigt, dann wird Fragen plötzlich zentral und die (zuvor) erworbene individuelle Fragekompetenz dazu. Denn sie schafft aus Daten und Informationen neues Wissen (in Anlehnung an H. Oswald, PH Zürich, vom 29.8.2006).
Zeichen |
Unterscheidbar in ihrer Bedeutung |
1 5 U H R |
1 0 C H F € |
Daten |
Rohmaterial, Menge von Zeichen |
11.55 |
100 oder CHF |
Informationen |
Strukturierte Daten, Muster mit Bedeutung |
11.55 Uhr |
100 € = 122 CHF |
Wissen |
Information im Kontext, anwendbar |
Zug ist abgefahren |
Geldmarkthandel |
Was der aktuelle Informationsbedarf für eine einzelne Person konkret bedeutet, ist nicht leicht vorherzusagen. Einem Geologen nützt sein Wissen um geologische Zeitalter (Karbon, Jura, Kreide) wenig, wenn er sich Hals über Kopf im Hier und Jetzt in eine Frau verliebt. Auch OPAC und medienkompetente Recherche werden es für diese Situation der Informationsbewältigung kaum richten können.
Informationskompetenz ist also zum einen kontextabhängig und zum andern ein Dauerbrenner mit Auf und Abs. Auf der gegenwärtigen Welle von i (sprich ai) und e (sprich ii) Tools haben tendenziell Ausprägungen der Medienkompetenz Konjunktur. Bereits im Jahre 2005 erwähnte ein Kollege an einer IK-Tagung, dass in den USA bei „Information Literacy“ von einem ILFS, einem Informationskompetenz-Ermüdungssyndrom gesprochen werde [3]. Unter dem Titel „Informationskompetenz und Informationsleichtigkeit“ schlug Oliver Kohl-Frey am Deutschen Bibliothekstag 2011 eine Hinwendung zum Neuen vor [4]; ein Sich-Einstellen auf die Infrastruktur, auf die „Gemeinschaft“ und auf das, was die Informationstechnologie uns Zeitgenossen neu zu bieten hat (Suchleichtigkeit, „Discovery“). Schauen Sie also hin, wie der jeweilige „Tag“ aussieht und ob es sich dabei um einen Zeitbegriff oder um eine neue Form der Schlagwort-Vergabe handelt. Wikipedia könnte fürs Erste mit ihren „Begriffsklärungen“ zur inhaltlichen Unterscheidung beitragen [5]. Ob Sie schliesslich mit-twittern wollen („IK gefällt mir“, „Bibliothekswissen bringt mehr Freizeit“) und ob Sie sich im Facebook-Profil Ihrer Benutzerinnen über den Recherchestatus à jour halten (mit Einträgen wie: Single Search – Search for Social, Vor der Recherche – Nach der Recherche, Zu viel gefunden – Nichts gefunden), bleibt von äusseren Faktoren abhängig.
Dort zu sein, wo die Kunden sind, tönt zwar gut. Angesichts des virtuellen Multi-Taskings ist es jedoch nicht leicht auszumachen, wo eine Person im Moment wirklich ist oder sich austauscht. Ein Versuch, professionellen Support bei der individuellen Informationsermittlung und Dokumentbeschaffung zu leisten – wie es Bibliotheken seit Jahrzehnten tun – lohnt sich allemal. Vom Schwindel des Überflusses angebotener Daten befallen sind Kundinnen oft schon über eine klärende Weg-Weiser-Beratung dankbar. Falls das Aufnahmevermögen – und nicht zuletzt die verfügbare Zeit es erlauben – kann dann mit möglichen Empfehlungen aus dem „Werkzeugkasten“ der Informationsspezialisten fortgefahren werden; im Zusammenhang mit Schule etwa durch stufengerechten Referenzen wie „Biblioheft“ und „Medienkompass“ [6] oder eine konzeptionelle Zusammenarbeit [7].
Wenden wir uns zum Schluss nochmals dem Handlungskern von Informationskompetenz zu und fragen, welche Teilaspekte mit im Spiel sind. In der Fachliteratur findet man viele Kompetenz-Nennungen, u.a.: Bibliothekskompetenz, Computerkompetenz, Handlungskompetenz, ICT-Kompetenz, Internetkompetenz, Lesekompetenz, Medienkompetenz, Recherchekompetenz, Sozialkompetenz, Schreibkompetenz. Und was wird an spezifischer Vermittlung von Bibliotheken erwartet?
Abb. 2 : Schema zu Teilaspekten IK und zum Handlungsprozess
Der Referenzrahmen Informationskompetenz (IK) für Schulbibliotheken auf der INFOKOS Webseite (
www.infokompetenz.de) lässt vermuten, dass es bei der Förderung von Informationskompetenz im Allgemeinen um mehr geht als was Bibliothekarinnen allein zu leisten vermögen. Die individuelle Kompetenz soll nämlich folgende vier Teilgebiete abdecken: Suchen, Prüfen, Wissen und Darstellen. Daraus folgt für eine Rollenteilung, dass Bibliothekspersonal in Schulen oder öffentlichen Einrichtungen oft den Part der Recherche übernehmen, mit Hintergrundinformationen zu Dokumenttypen, Such- und Filtermöglichkeiten, Beschaffungswegen und zu einem angemessenem Umgang mit den verwendeten Quellen (Urheberrecht, Fair Use, Kopierverhalten, Zitierung).
Die beiden Grafiken in Abb. 2 illustrieren sowohl die engere Interpretation (rechts im Modell DYMIK) wie auch den IK-Support durch Bibliotheken beim fachübergreifenden Informationsbeschaffungsprozess (schweizerisches Kompetenzraster, links). Wo es die personellen Ressourcen sowie institutionsspezifische Voraussetzungen es erlauben, könnte auch ein Mitwirken bei Aktivitäten zur Medienkompetenz (“ICT plus“) ins Auge gefasst werden. Ein struktureller Beitrag für besondere Benutzergruppen scheint mir freilich nur mit offiziellen Zeitfenstern möglich, wie dies in der Schule für die Leseförderung in vielfältiger Ausprägung gelebt wird. Denn fachübergreifende Anliegen realisieren sich nicht einfach von selbst. Sie müssen in einen fachlichen Zusammenhang eingebunden werden. Mit Lernsituationen wie der „Matura-Arbeit“, der Vertiefungsarbeit an Berufsschulen oder Themenmodulen an der Volksschule wird eine solche konkrete Auseinandersetzung angeregt: vielleicht auch in der Bibliothek / Mediothek als Ort, wo Schüler und Schülerinnen zu ihren Lebenswelten die entscheidenden Fragen zu stellen lernen wissen.