Die Stadtbibliothek Biel, «insieme Biel Seeland» und die «Stiftung für Inklusion und Gemeinschaft» führen seit März 2023 den ersten inklusiven LEA Leseklub der Schweiz. LEA steht für Lesen Einmal Anders: Erwachsene Menschen mit und ohne Beeinträchtigung lesen gemeinsam an einem öffentlichen Ort Texte in leichter Sprache. Alle können mitmachen, auch Menschen, die nicht lesen können. Ende 2023 wird das Pilotprojekt evaluiert. Künftig sollen mindestens ein zweiter regionaler Klub sowie ein Netzwerk für Inklusion in der Bibliothekswelt aufgebaut werden.
Begonnen hat alles mit der Anfrage eines Vaters, der für seine Tochter mit kognitiver Beeinträchtigung einen Leseklub suchte. Die Stadtbibliothek Biel und «insieme Biel Seeland» überlegten gemeinsam, was sie tun könnten und begeisterten sich schliesslich für die Idee eines inklusiven Leseklubs. In Deutschland fanden sie mit LEA Leseklub von KuBus e.V. ein interessantes, wissenschaftlich evaluiertes Modell.
Der LEA Leseklub trifft sich jeden Donnerstag in der Stadtbibliothek Biel. (Bild: Stadtbibliothek Biel)
Das Konzept ist auf die eigenen Bedürfnisse angepasst worden. 10 erwachsene Frauen mit einer kognitiven Beeinträchtigung aus dem Raum Biel, Seeland, Bern und 3-4 Koordinatorinnen und Mitlesende treffen sich jeden Donnerstag für eine Stunde zum gemeinsamen Lesen in der Stadtbibliothek Biel. Der Leseklub ist ein Freizeitangebot und dient nicht dem Lesenlernen.
Gelesen werden Texte in leichter Sprache. Die Gruppe liest bereits ihr zweites Buch. Während des Treffens liest abwechslungsweise eine Person laut den Text. Gemeinsam wird über das Gelesene diskutiert. Personen, die nicht lesen können, beteiligen sich durch die Methode des Echo-Lesens. Sie sprechen die Wörter eines Satzes nach, die von einer Mitleserin vorgelesen werden. Diese Methode funktioniert sehr gut. Die Mitleser- und Koordinatorinnen im Bieler Leseklub haben einen heilpädagogischen Hintergrund. Dadurch kann auf Bedürfnisse der Mitglieder reagiert werden. Die Teilnahme ist kostenlos.
Dank der Methode des Echo-Lesens können sich auch Personen, die nicht lesen können, beteiligen. (Foto: Stadtbibliothek Biel)
Der Bieler Leseklub setzt bewusst auf die Entschädigung der Mitleser- und Koordinatorinnen. Für diese Entschädigung und die Bücher sind externe Fördergelder notwendig. «insieme Biel Seeland» und die «Stiftung für Gemeinschaft und Inklusion» beteiligen sich an diesen Fördergeldern. Die Stadtbibliothek beteiligt sich am Projekt durch Eigenmittel. Zudem wurde für die Weiterentwicklung des Projekts ein Gesuch um finanzielle Unterstützung bei der Kulturförderung des Kantons Bern eingereicht.
Der Bieler LEA Leseklubs ist bis heute ein Erfolg: Die Lesegruppe ist sehr motiviert. Fertigkeiten von Lesenden haben sich positiv verbessert. Schulische Leseängste wurden abgelegt. LEA bietet für alle den Raum mitzulesen und zu diskutieren. Neue Beziehungen entstehen. Geschätzt wird, dass sich die Mitglieder ausserhalb der regulären Strukturen für Menschen mit Behinderungen treffen. Lesen bedeutet für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung kulturelle Teilhabe. Der LEA Leseklub ist lebhaft. Es wird gelacht, gesungen, manchmal geweint. Für die Stadtbibliothek bedeutet dies eine Förderung der Bibliothek als Dritter Ort.